ForMaD 29.06.2017 - Förderung bei Rechenstörungen: Ein Projekt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Damit Mathematik endlich kein "Hassfach" mehr ist, braucht ein Kind Förderung in seinen mathematischen Kompetenzen aber insbesondere auch im Selbstvertrauen, verdeutlicht Sabine Kaufmann. In ihrem Vortrag verweist sie auf die drei wesentlichen Ziele, die ihr langjähriges Projekt der PH Heidelberg verfolgt.

Zum ersten geht es natürlich darum, dass Kinder mit Schwierigkeiten beim Mathematiklernen gestärkt und gefördert werden. In ihrer Definition der Probleme der Kinder folgt Kaufmann der Definition von Lorenz und Radatz, die nicht den pathologischen Anteil von Störungen rekurrieren, sondern den besonderen Bedarf an zusätzlicher Förderung, der im Regelunterricht nicht (mehr) geleistet werden kann. Nach einen intensiven Eingangsdiagnostik wird für jedes Kind ein individueller und flexibler Förderplan erstellt. Flexibel heißt hier, dass auch später erst auftretende Probleme direkt eingegangen wird und keine fixierte Planung diese Anpassung be- bzw. verhindert. Die Förderung setzt nicht am aktuellen Schulstoff an, sondern an den individuellen Verstehensgrundlagen und Voraussetzungen des Kindes. Zudem werden weder schematische Rechenwege, noch Rechentricks vermittelt. Die Förderung möchte Verständnis aufbauen und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wesentliche Bausteine sind dafür intermodaler Transfer zwischen Materialhandlungen, ikonischen Darstellungen und Rechenvorgängen sowie das aktive Zuhören der Studierenden, die das Kind fördernd begleiten. Das Abwarten, Zuhören und Nachspüren der Denkwege des Kindes stehen im Vordergrund und erwarten große Zurückhaltung. Fördern wird nicht als Belehrung, sondern als Impulsgebung mit geeigneten Aufgaben und Material inszeniert.

Diese anspruchsvolle Art der Förderung unterstützt die beteiligten Lehramtsstudierenden massiv in der Entwicklung eigener Kompetenzen. Das zweite Ziel des Projekts ist als die Ausbildung und das Lehren lernen. Nach einem intensiven Blockseminar fördert jede Studentin bzw. jeder Student ein Kind ein Semester lang. Eine ausführlicher Förderplan und ein Bericht begleiten die Art. Zudem werden die Stunden videografiert. In Reflexionsrunden werden anhand der Videos, das eigene Verhalten und die Förderpläne gemeinsam thematisiert. Studierende, die ein Semester bereits Erfahrungen gesammelt haben,  können in Folgesemestern als Coach für die neuen Studierenden arbeiten und so erweiterte Handlungskompetenz im Lehren erwerben.

Das dritte Ziel des Projekts liegt in der Beforschung der Arbeit. Datensätze über die Kinder, aus Befragungen von Lehrerinnen und Lehrern, aus Befragungen der Eltern sowie Vor- und Nachfragebögen der beteiligten Studierenden bieten einen Fundus an Quellen, die nach und nach ausgewertet werden. Kaufmann stellte einige Ergebnisse exemplarisch vor. So zeigt die Begleitforschung z.B., dass die Kinder in früheren Jahren erst durchschnittlich im 3. Schuljahr zur Förderung kamen in aktuellen Jahren hingegen auch bereits im 1. oder 2. Schuljahr. Dies deutet auf eine höhere Sensibilität von Lehrkräften und Eltern gegenüber dem Bereich der Schwierigkeiten im Rechnen hin. Einblicke erhielt das konzentrierte Publikum auch zu den Selbsteinschätzungen der Wirksamkeit der Förderung sowie zu Veränderungen der Kompetenzeinschätzung der beteiligten Studierenden vor und nach der Förderung eines Kindes.

Leseanregungen

Kaufmann, Sabine, & Wessolowski, Silvia (2006*). Rechenstörungen: Diagnose und Förderbausteine. Seelze: Kallmeyer.

Kaufmann, Sabine (2015). Vom Umgang mit Arbeitsmitteln. Vom Material über die Vorstellung zum Symbol. Grundschulunterricht Mathematik, 62 (3) 4-7.

Kaufmann, Sabine (2014). Verstecken, verdecken, verpacken. “Augenmaß" und Vorstellung schulen. Mathematik Differenziert, 5 (1), 42-45.

Kaufmann, Sabine (2010). Förderung bedeutet Herausforderung. Mathematik Differenziert, 1 (4), 10-12.

Kaufmann, Sabine (2010). Möglichkeiten der Lernstandsanalyse. Mathematik Differenziert, 1 (4), 7-9.

* Neuauflage erscheint in wenigen Monaten