ForMaD 26.11.2024 - „202-197 rechne ich doch nicht schriftlich!“ Förderung flexiblen Rechnens in der Grundschule

Vor vollen Rängen stellt Dr. Anna Körner von der Universität Bremen die Forschungsarbeit ihres Dissertationsprojekts* vor. Im Fokus der Arbeit steht die Kompetenz des flexiblen Rechnens. Die Entwicklung von Flexibilität beim Rechnen gilt seit vielen Jahren als zentrales Ziel des Arithmetikunterrichts der Grundschule. So erwarten auch die Bildungsstandrads für das Fach Mathematik Primarbereich für Ende Jahrgang 4 von den Kindern: "verstehen mündliche und halbschriftliche Rechenstrategien zu den vier Grundrechenarten und setzen diese flexibel ein" (KMK 2022, S. 14). Körner erinnert daran, dass in verschiedenen Studien allerdings festgestellt wurde, dass viele Kinder einen Hauptrechenweg bevorzugen und selten flexibel rechnen. Flexibilität ist folglich förderbedürftig und entwickelt sich nicht automatisch. In der prägnanten Einführung in die Theorien zum flexiblen Rechnen unterscheidet Körner die Flexibilität als das Nutzen verschiedener Wege von der Adaptivität als Nutzen von passenden Wegen. Diese Passung kann eine individuelle sein (z.B. Sicherheit einer bestimmten Strategie), sozial kontextualisiert sein (z.B. Vorgaben des Unterrichts folgen) oder aber an Aufgabenmerkmalen (normativ) ausgerichtet sein. Aufgabenmerkmale identifizieren Zahleigenschaften und -beziehungen in der spezifischen Rechnung. Körners Ansatz hat eine adaptive Flexibilität im Blick.

Eine gezielte Förderung der Kompetenz kann theoretisch auf zwei idealtypisch zu unterscheidenden Wegen erfolgen: einerseits dem Explizierenden Strategiewahlansatz und andererseits de, problemlösenden Emergenzansatz. Der letztgenannte wird von Körner in einer Längsschnittstudie vom ersten bis zum vierten Schuljahr zur Unterrichtskonzeption und -umsetzung im Themenfeld der Addition und Subtraktion weiter verfolgt. Orientierend zur Ausgestaltung sind vorliegende Studien insbesondere von Rathgeb-Schnierer (2006) oder Rechtsteiner-Merz (2013). 

In der Praxisumsetzung spielen u.a. folgende Elemente eine zentrale Rolle: Die kontinuierliche Schulung des Zahlenblicks (mit passenden Anschauungsmitteln), das Sortieren von Aufgaben aufgrund von Aufgabenmerkmalen vor der Berechnung (auch um den Rechendrang aufzuhalten), das Rechnen auf eigenen (verschiedenen) Wegen. Der Entwicklung der beteiligten Kinder wird in begleitenden, leitfadengestützten Einzelinterviews nachgespürt. Als Ergebnisse kann Körner präsentieren, dass außergewöhnlich viele Kinder - selbst nach der Einführung der schriftlichen Verfahren als eine weitere Rechenmöglichkeit - Ableitungswege und Strategievielfalt zeigen. Auch die Lösungsquoten sind vergleichsweise hoch. Die gezielte, an Zahlen- (und Aufgaben-)blick ausgerichtete, kontinuierliche Förderung der Flexibilität im Rechnen kann im Emergenzansatz gelingen.

zitierte Literatur (Auswahl):

Rathgeb-Schnierer, E. (2006). Kinder auf dem Weg zum flexiblen Rechnen: Eine Untersuchung zur Entwicklung von Rechenwegen bei Grundschulkindern auf der Grundlage offener Lernangebote und eigenständiger Lösungsansätze. Franzbecker.

Rechtsteiner-Merz, C. (2013). Flexibles Rechnen und Zahlenblickschulung: Entwicklung und Förderung von Rechenkompetenzen bei Erstklässlern, die Schwierigkeiten beim Rechnenlernen zeigen. Waxmann.

Leseanregungen

Körner, A. (2016). Entwicklung flexibler Rechenkompetenzen in der Grundschule. In Institut für Mathematik und Informatik Heidelberg (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM-Verlag.

Körner, A. (2020). 202-197 rechne ich doch nicht schriftlich. Die Grundschulzeitschrift, (324).

Körner, A. (2024). Flexibles Rechnen im Grundschulverlauf: Eine Längsschnittstudie zur Förderung und Entwicklung flexibler Vorgehensweisen beim Addieren und Subtrahieren. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-44057-2

* Die Dissertation wurde 2024 mit dem Promotionspreis der Gesellschaft für die Didaktik der Mathematik (GDM) ausgezeichnet.