ForMaD 25.06.2015 - Mathematikschulbücher: Instrumente des Lehrens und Lernens von Mathematik

Direkt zum Einstieg des Vortrags von Prof. Dr. Sebastian Rezat von der Universität Paderborn erlebt das interessierte Publikum eine typische Klassensituation aus seinen qualitativen Studien im Transkipt mit, die im Ausspruch des Mathematiklehrers gipfelt: "Ist mir doch egal, was im Buch steht." Das Mathematikschulbuch ist für das Lehren und Lernen von Mathematik im Unterricht jedoch kaum wegzudenken. Kann oder darf es da egal sein, was im Buch steht?

Rezat macht auf ein Forschungsdesiderat aufmerksam: Spezifische Forschungsmethoden zu Schulbuchanalysen liegen kaum vor. Diesem Fehlen begegnet Rezat mit Theorieentwicklung (Grounded Theory) in qualitativen Studien zur Schulbuchnutzung durch Lehrende und Lernende der Sekundarstufen I  und II. Es werden zum einen Strukturelemente des Schulbuchs auf Makro-, Meso- und Mikroebene herausgearbeitet sowie die Handlungstypen (Funktionen) und sich daraus bedingende Eigenschaften der Textsorten.

Im weiteren Ansatz wird die Beziehung zwischen dem Buch als Artefakt und dem Schüler oder der Schülerin instrumentell gedeutet. Rezat unterscheidet auf der Ebene der Schulbuchnutzung durch Lehrkräfte direkt vermittelten instrumentellen Gebrauch (Schulbuch als Aufgabensammlung) sowie indirekt vermittelten. Indirekt werden nach seinen Analysen oft Lehrtexte und Merksätze genutzt, die bedarfsorientiert adaptiert im Unterricht eingepflegt werden.

Bei der Analyse der selbstregulierten Nutzung des Schulbuchs durch die Lernenden konnte er vier Arten ausmachen: Bearbeiten von Aufgaben, Festigen, Aneignen und interessenmotivierte Beschäftigung mit dem Buch. Bei der genaueren Analyse wird deutlich, dass die Nutzungsverhalten der Lernenden durchaus mit dem instrumentellen Einsatz durch die Lehrenden in Beziehung stehen.

Im Fazit wurden insbesondere Konsequenzen für den Einsatz des Schulbuches im Unterricht gezogen und der Vorschlag herausgestellt, Schulbuchtexte als zu interpretierende Fachtexte ernst zu nehmen und mit den Lernenden im Diskurs fruchtbar zu machen und gemeinsam zu erarbeiten. Nur so ist das, was das Buch schreibt, zwar nicht immer genau das, was die Lehrkraft sagen würde, aber egal sollte es auch nicht sein.

Leseanregungen

Rezat, S. (2009). Das Mathematikbuch als Instrument des Schülers. Eine Studie zur Schulbuchnutzung in den Sekundarstufen. Wiesbaden: Vieweg+Teubner.

Rezat, S. (2011). Wozu verwenden Schüler ihre Mathematikschulbücher? Ein Vergleich von erwarteter und tatsächlicher Nutzung. Journal für Mathematik-Didaktik, 32(2), 153-177.

Rezat, S. (Hg.) (2014). Mit dem Mathebuch kreativ umgehen. Fördermagazin Sekundarstufe, 36(2).