ForMaD 18.05.2017 - Vorstellungen von Kindern im Alter von 4 - 6 Jahren über ebene, geometrische Figuren in England und Deutschland

„How would you explain a triangle?“ mit dieser Frage konfrontierte Andrea Maier von der PH Karlsruhe die gespannten Zuhörerinnen und Zuhörer und in ihrem Dissertationsprojekt die Kinder in England. Aber wie erklärt man eine geometrische Figur?

Die Sprache der Geometrie ist geprägt von wohl definierten Begriffen. Der Prozess der Begriffsbildung ist allerdings gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Allein der Name für eine Figur sagt noch wenig aus. Vielmehr müssen die konzeptuellen Vorstellungen (concept images) mit den Definitionen im Denken zusammengebracht werden. Mathematisch betrachtet gehört zu einem vollständig ausgebildetem Verständnis eines Begriff die mentale Vorstellung, die Fähigkeit Beispiele und Gegenbeispiele anzugeben sowie die Beschreibung von Eigenschaften. Im späteren Verlauf der Schulzeit gehören dann auch Unter- und Oberbegriffe dazu und die Einordnung in ein Begriffsnetz bzgl. anderer geometrischer Formen. Ein wirklich stimmiges Begriffsverständnis zu entwickeln ist ein höchst individueller und zeitintensiver Prozess.

Mit geschickt gestellten Aufgaben hat Andrea Maier diesem Begriffsverständnis von englischen und deutschen Kindern nachgespürt; z. B. Mit welchem Flicken kann man einen Schal mit einem dreieckigen Loch reparieren? Wie kann man geometrische Figuren sortieren? Kann man sie auch zeichnen?

Die Vorstellungen von Kindern von ebenen geometrischen Figuren sind meist auf Erfahrungen und Interaktionen in ihrer unmittelbaren Umgebung zurückzuführen. Konkrete Eigenschaften und Definitionen spielen zunächst eine weniger wichtige Rolle. Maier konnte nachweisen, dass die von ihr untersuchten Kinder insbesondere prototypische Lagen von Standardfiguren als Figuren erkennen, d. h. gleichseitige Dreiecke oder Quadrate mit einer Seite parallel zur Blattkante. Sobald die Lage sich verändert, werden z. B. Quadrate (insbesondere in England) nicht mehr als Quadrate akzeptiert, sondern nur noch als Rauten bezeichnet.

Interessant und lehrreich ist sicher der Befund, dass auch die Kinder, die eine (auswendig gelernte) korrekte Beschreibung der Figuren geben konnten, die dort beschriebenen Elemente (Dreieck hat drei gerade Linien und drei Ecken.) aber auf ihre eigenen Sortierungen oder Zeichnungen nicht anwenden konnten.

Eine zu frühe Einführung von Merksätzen ist folglich für ein Begriffsverständnis nicht sinnvoll. Vielmehr sind Erfahrungen mit geometrischen Figuren wichtig und wertfreier Raum und Zeit für höchst individuelle Beschreibungen.

„Ein Kreis ist ein Stern ohne Zacken.“  Beschreibungen solcher Art bieten Lernchancen. Sie sollten als Anlass wahrgenommen werden, genauer zu fragen, was das Kind sich denkt, um eine Zeichnung dazu zu bitten, genau hinzuhören und so besser zu sehen und zu verstehen, was das Kind meint. So können eigenwillige Beschreibungen fruchtbarer Ausgangspunkt sein für die zunehmende Hinführung zu mathematisch stimmigen Erklärungen und einem tatsächlichen Verständnis von Begriffen bei den Kindern.

Leseanregungen

Maier A.S.  & Benz, C. (2014). Children’s conceptual knowledge of triangles manifested in their drawings. In P. Liljedahl, S. Oesterle,  C. Nicol,  & D. Allan, (Eds.), Proceedings of the Joint Meeting of PME 38 and PME-NA 36 (Vol. 4, pp. 153-160), Vancouver, Canada: PME.

Maier, A., & Benz, C. (2014). Children’s Constructions in the Domain of Geometric Competencies (in Two Different Instructional Settings). In U. Kortenkamp, B. Brandt, C. Benz, G. Krummheuer, S. Ladel & R. Vogel (Hrsg.), Early Mathematics Learning – Selected Papers of the POEM Conference 2012 (pp. 173-188). New York: Springer.

Maier, A. & Benz, C. (2013). Selecting Shapes: How Children Identify Familiar Shapes in Two Different Educational Settings. In V. Ubuz (Ed.), Proceedings of the 8th Congress of the European Society for Research in Mathematics Education (10 pp.). Antalya, Turkey: ERME.