ForMaD 02.06.2016 - Produktives Fördern im Mathematikunterricht

Großer Andrang im Seminarraum beim Vortrag von Prof. Dr. Marcus Nührenbörger (TU Dortmund) zeugt von der Aktualität des Themas Fördern. Heterogenität, Inklusion und Rechenschwierigkeiten führen, so der Vortragende, seit einigen Jahren verstärkt zu vielerlei Maßnahmen zur individuellen Förderung. Üblicher Weise bekommen Kinder mehr Zeit eingeräumt, Aufgaben zu lösen, werden stärker angeleitet, welche Prozedur genau nachgemacht werden soll, oder werden vermeintlich durch Wahrnehmungsübungen und Trainings ünterstützt.
Doch sind diese Maßnahmen auch für das Lernen von Mathematik förderlich?

Nührenbörger vertritt die Meinung, dass besondere Kinder keiner anderen Mathematikdidaktik bedürfen, sondern diese genau die Schlüssel bereit hält, die allen Kindern das Verstehen von Mathematik ermöglichen kann. Bezugnehmend auf die von Scherer als lernförderlich erkannten Bausteine verdeutlicht Nührenbörger empirisch erprobte Konzepte für die Grundschule und Sekundarstufe aus den Projekten ZebrA und mathe-sicher-können.

Wesentlich sind aus mathematikdidaktischer Perspektive Zahl- und Operationsvorstellungen. Kinder mit Schwierigkeiten verbinden mit Zahlen eher das Zählen (ordinal) oder konkret gegenständliche Vorstellungen. Eindrücklich stellte Nührenbörger Kindergedanken vor, die auf die Frage "Wie stellst du dir 600 vor?" als Antwort "Schafe" notierten. In ihren Operationsvorstellungen wird oft deutlich, dass die Lernenden mit Ziffern rein schematisch (algorithmisch) zu arbeiten versuchen.

In den von Nührenbörger vorgestellten Projekten werden Lernanlässe kreiert, in denen für die Lernenden eine gewisse fachliche Notwendigkeit besteht, ihre einseitig ausgeprägten Zahl- und Operationsvorstellungen aufzubrechen und zu flexibilisieren. Anknüpfungspunkte geeigneter Aktivitäten werden diagnosegeleitet ermittelt. Der Fokus ist auf den Basisstoff gerichtet, reichhaltige Aufgaben eröffnen den Blick auf Beziehungen und Strukturen und Automatisierungen sowie Vertiefungen werden integriert.

Überzeugend konnte Nührenbörger illustrieren, dass nicht eine verinselte Individualisierung lernförderlich ist, sondern die Gestaltung von Aufgaben für leistungsheterogene Paare, die zusammen Erfahrungen sammeln, die dann im Plenum vorgestellt werden. Produktiv werden die Förderanlässe zumeist dann, wenn fokussierende Fragen der Lehrpersonen die Auseinandersetzung befruchten und kommunikationsfördernd steuern.

Leseanregungen

Nührenbörger, M., & Pust, S. (2011). Mit Unterschieden rechnen. Lernumgebungen und Materialien im differenzierten Anfangsunterricht Mathematik. 2. Auflage. Seelze: Kallmeyer (vor. Aufl. 2006).

Forschungsprojekt mathe-sicher-können

Selter, C., Prediger, S., Nührenbörger, M. & Hußmann, S. (Hrsg.) (2014). Mathe sicher können. Natürliche Zahlen. Berlin: Cornelsen.

Prediger, S., Selter, C., Hußmann, S. & Nührenbörger, M. (Hrsg.) (2014). Mathe sicher können. Brüche, Prozente und Dezimalzahlen. Berlin: Cornelsen.

Hintergrund, Infos und Material unter http://mathe-sicher-koennen.dzlm.de/

Forschungsprojekt ZebrA

Häsel-Weide, U. & Nührenbörger, M. (2012). Fördern im Mathematikunterricht, Heft 4. In H. Bartnitzky, U. Hecker & M. Lassek (Hrsg.), Individuell fördern - Kompetenzen stärken. Grundschulverband. Arbeitskreis Grundschule (Band 134). Hemsbach: Beltz.

Häsel-Weide, U., Nührenbörger, M., Moser Opitz, E. & Wittich, C. (2013). Ablösung vom zählenden Rechnen. Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen. Seelze: Kallmeyer.

weitere Literatur von Prof. Dr. Nührenbörger