Studientag 2019 - Berichterstattung
„Erlöse uns von dem Bösen“?!
„Erlöse uns von dem Bösen“ ist die bekannte Bitte aus dem Vaterunser, allerdings scheint die christliche Hoffnung auf Erlösung angesichts des Bösen heute kaum mehr von Bedeutung zu sein. Was genau ist das Böse und spielt es für heutige Glaubensüberzeugungen überhaupt noch eine Rolle? Was bedeutet Erlösung aus biblischer Perspektive? Ist es noch von Relevanz, vom Teufel zu sprechen?
Am 19. Februar 2019 griff der Studientag des Instituts für Katholische Theologie mit dem Titel „Erlöse uns von dem Bösen“?! diese Fragestellungen auf. Marie-Theres Ultsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts, begrüßte zunächst alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und gab eine kurze thematische Einführung. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit theologischen Themen sollte der Studientag Oberstufenschülerinnen und -schülern einen Einblick in das universitäre Leben ermöglichen. Daher beinhaltete er Kurzvorträge zweier Professoren, eine Gruppenarbeitsphase, in der sich die Schülerinnen und Schüler mit den Inhalten vertieft auseinandersetzen konnten, sowie eine Podiumsdiskussion mit den Referenten als Abschluss.
Erstmals wurde parallel zur Gruppenarbeitsphase auch eine Lehrerfortbildung zum Thema des Studientages unter der Leitung von Frau Dr. Melanie Kuhn-Lange (OStRin i. K. und Fachmitarbeiterin für Religionsunterricht an Gymnasien der Hauptabteilung Schule und Religionsunterricht des Erzbistums Bamberg) angeboten.
Statement 1: Nichts leichter als Sünden vergeben – reicht aber auch nicht! (Mk 2,9) Biblische Konzepte von Erlösung jenseits bloßer Seelenrettung
Prof. Dr. Joachim Kügler, Inhaber des Lehrstuhls für Neutestamentliche Wissenschaften, beschäftigte sich in seinem Kurzvortrag mit biblischen Erlösungskonzepten.
Hierfür griff er die wörtliche Übersetzung einer Wundererzählung im Markusevangelium auf (Mk 2,9): „Was ist müheloser, zu sprechen zu dem Gelähmten: Erlassen werden deine Sünden, oder zu sprechen: Steh auf und trag deine Bahre und geh umher?“ Aus Sicht der neutestamentlichen Wissenschaft geht es vor allem darum, was in den Texten erzählt wird und welche Message sie übermitteln wollen, so Kügler. Er verdeutlichte mithilfe der Bibelstelle, dass es einfacher ist, Sünden zu vergeben als Kranke zu heilen, denn Sünden und deren Vergebung sind visuell nicht wahrnehmbar. Man sieht sie nicht und auch nach der Erlösung ist äußerlich keine Veränderung zu erkennen, wohingegen die Heilung von Kranken aufgrund ihrer offenkundigen Sichtbarkeit eine größere Herausforderung darstellt. Im engen Zusammenhang mit dem Begriff der Erlösung steht daher der Begriff des Heils bzw. der Heilung. Im Neuen Testament ist nicht nur innerlich die Erlösung von Sünden ein wichtiges Thema, auch die äußerliche Heilung von Kranken durch Jesus ist zentral. Kügler führte weiter aus, dass es vielfältige Konzepte von Erlösung gibt, wobei Erlösung sowohl im Diesseits als auch im Jenseits verortet sein kann. Diesseitige Vorstellungen von Erlösung können mit einem gelungenen Leben und idealer Lebensqualität in Form von Gesundheit, Wertschätzung und der Verschonung von Naturkatastrophen einhergehen (= Heil/Schalom). Erlösung kann aber auch als Jenseitshoffnung verstanden werden. Das ist der Fall, wenn bestimmte Rollenerwartungen, die in der Gesellschaft fest verankert sind, nicht erfüllt werden können. Falls die individuelle Biografie davon abweicht, kann es auch die Hoffnung auf die Erfüllung des Heils/auf die Erlösung im Jenseits geben.
Statement 2: Erlöse uns von „dem“ Bösen? Warum Christen nicht an den Teufel glauben, die Theologen aber trotzdem von ihm reden
Prof. Dr. Jürgen Bründl, Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie und Dogmatik, betrachtete in seinem Kurzvortrag vor allem die Figur des Teufels, also die Personifikation des Bösen.
Doch was hat es mit der Teufelsfigur überhaupt auf sich? Der Teufel ist als Metapher für die Wirklichkeit des Bösen in der Welt zu verstehen. Bründl stellte zunächst heraus, dass Christen nicht an den Teufel glauben, sondern an den dreieinen Gott. Des Weiteren betonte er, dass die Teufelsfigur im christlichen Verständnis die Unmenschlichkeit des Bösen und trotzdem gleichzeitig nichts Nicht-Menschliches darstellt. Zudem führte er aus, dass die Figur des Teufels das Böse nicht erklärt, sondern diese fälschlicherweise die Menschen zu bösen Teufeln erklärt. Das ist allerdings durch nichts zu rechtfertigen, denn auch als Sünder ist der Mensch kein Teufel. Wenn man den Menschen zum Teufel diffamiert, kann die Annahme entstehen, dass gegen das Böse alles erlaubt ist und legitimiert somit Gewalt. Dies kann man auch am Weltgeschehen beobachten: Wenn Gegner zu Teufeln/zum Bösen erklärt werden, gibt es keine Grenzen mehr, denn gegen das Böse ist scheinbar alles erlaubt. Darin liegt die Gefahr der Selbstgerechtigkeit: Der Mensch sieht sich selbst als gut an und schließt daraus, dass es gegen das Böse keiner Rechtfertigung mehr bedarf. Bründl betonte, dass man deshalb den Menschen unter keinen Umständen zu bösen Teufeln machen dürfe. Bründl griff in seinem Vortrag neben alt- und neutestamentlichen Bezügen auch die einzige lehramtliche Äußerung zur Thematik des Teufels auf: das Vierte Laterankonzil von 1215. Demzufolge wurde der Teufel wie alle anderen Geschöpfe auch gut geschaffen, wurde jedoch dann von sich aus böse. Obwohl der Mensch nicht mit dem Bösen gleichzusetzen ist, führte der Teufel ihn in die Versuchung, Böses zu tun. Auch wenn Christen nicht an den Teufel glauben, ist er trotzdem von Relevanz, da die Thematisierung des Teufels bzw. eine Theologie des Teufels den Menschen von seinen bösen Taten unterscheidet und seine Würde wahrt.
Seminarphase, Lehrerfortbildung und Podiumsdiskussion
Nach den Kurzvorträgen setzten sich die Schülerinnen und Schüler in den von Studierenden und Dozierenden geleiteten Arbeitskreisen vertieft mit den Statements auseinander, klärten eventuelle Fragen und Unklarheiten und arbeiteten Thesen für die Podiumsdiskussion heraus.
Währenddessen konnten die Lehrkräfte im „Theologischen Café“ unter der Leitung von Dr. Melanie Kuhn-Lange in einen vertiefenden fachwissenschaftlichen Austausch mit den beiden Professoren treten. Darüber hinaus stand im Laufe dieser Fortbildungseinheit eine unterrichtspraktische Ausrichtung im Fokus. So stellte Dr. Frau Kuhn-Lange u. a. eine Materialmappe mit zahlreichen didaktischen Anregungen rund um das Themenfeld „Erlösung von dem Bösen“ zur Verfügung.
Anschließend hatten die Teilnehmenden in der Pause Gelegenheit, sich mit Brezen, die von der Hauptabteilung Schule und Religionsunterricht des Erzbischöflichen Ordinariats Bamberg gesponsert wurden, zu stärken und sich auszutauschen.
Im anschließenden Plenumsgespräch mit den Professoren konnten die Schülerinnen und Schüler ihre Fragen und die erarbeiteten Argumente aus den Arbeitskreisen an die beiden Referenten richten. Die Fragen und Anmerkungen trugen zu einer sehr angeregten Diskussion bei.
Abschließend bedankte sich Florian Brustkern, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts und Moderator der Podiumsdiskussion, sowohl bei den Schülerinnen und Schülern für ihr Interesse und ihre Mitarbeit als auch bei den Lehrkräften und den beiden Referenten. Zusätzlich richtete er seinen Dank an die Studierenden und Dozierenden für die Leitung der Arbeitskreise, an Frau Dr. Kuhn-Lange für die gute Kooperation und Leitung der Fortbildung sowie an das Lehrstuhlteam für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts, welches für die Organisation und den gelungenen Verlauf des Studientags verantwortlich war.
Diesen Text verfasste Sophia Bertold. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.