Geld regiert die Welt?

Start des Theologischen Forums 2015/2016

Das »Theologische Forum« des Instituts für Katholische Theologie widmet sich im Wintersemester 2015/2016 dem Thema »Geld regiert die Welt!? Ökonomisches Denken als Herausforderung für die Theologie«. An fünf Abenden wird dieser Frage mit Hilfe renommierter Referenten auf den Grund gegangen. Den Auftakt bildete am 29. Oktober 2015 ein Vortrag des Philosophen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otfried Höffe.

Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Katholische Theologie, Prof. Dr. Jürgen Bründl, eröffnete das »Theologische Forum« mit einer thematischen Einführung. Dabei ging er auf das spannungsreiche Verhältnis von Kirche und Geld ein und zeigte den ca. 130 Anwesenden schlaglichtartig auf, wie ökonomisches Denken nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Theologie betrifft.

Den anschließenden Auftaktvortrag übernahm Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otfried Höffe, emeritierter Professor für Philosophie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Höffe – einer der wichtigen deutschen Gegenwartsphilosophen – ist unter anderem Gründer sowie Leiter der Forschungsstelle Politische Philosophie an der Universität Tübingen und Präsident der Nationalen Ethikkommission der Schweiz im Bereich der Humanmedizin.

Mit seinem Vortrag widmete Prof. Höffe sich der Frage: »Wie vernünftig kann ökonomische Rationalität sein?«, und legte damit eine wichtige Grundlage für das gesamte »Theologische Forum« dieses Wintersemesters. Seine Überlegungen: Ökonomisches Denken ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Zwar hätten ökonomische Rationalisierungsprozesse ursprünglich nur im wirtschaftlichen Sektor stattgefunden. Im Laufe der Zeit jedoch haben sich diese Denk- und Vorgehensweise aber weiter ausgebreitet und in immer mehr Bereichen des Lebens Geltung bekommen. Individuen sowie soziale Institutionen führen mittlerweile tagtäglich ökonomische Rationalisierungsprozesse durch. Das hat zur Folge, dass sich eine Art – so Höffe – »BWL-Mentalität« in der Gesellschaft durchgesetzt habe und immer häufiger das menschliche Handeln bestimme. Nahezu alles werde in Bezug auf Aufwand und Nutzen hin überprüft. Ziel solch ökonomischer Rationalisierungsprozesse sei es, mit geringstem Aufwand den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Welchen Sinn der Nutzen an sich habe, sei bei diesem Prinzip zunächst nebensächlich. Es zähle allein die Vorgehensweise: das Prinzip der Nutzenmaximierung.

Höffe identifizierte vor diesem Hintergrund als zentrale Herausforderung, dass ökonomische Rationalisierungen von Menschen vollzogen werden. Menschen sind von Natur aus mit einer moralischen Vernunft ausgestattet. Demnach müsste eine ökonomische Rationalisierung auch vernünftig sein. Ist sie da aber?, so fragte Höffe. Um diese Frage zu beantworten, setzte der Gastredner beim Egoismus von Menschen an. Laut Höffe strebt jedes Subjekt danach, seine eigenen Vorteile auszubauen und zu nutzen. Dies betreffe nicht nur den materiellen Reichtum. Das Ziel des puren Egoismus sei es, die jeweils eigene Situation zu verbessern und nicht die der Gemeinschaft. Der eigene Vorteil bedeute aber nicht automatisch einen bloßen Nachteil für die anderen. Im Gegenteil, das Durchsetzen von eigenen Interessen könne sich auch positiv auf andere Menschen auswirken. Denn wenn es einer gesellschaftlichen Schicht besser gehe, bestehe die Möglichkeit, dass dies auch ein Stück weit auf andere gesellschaftliche Schichten übergehe. Denn beispielsweise könne keine Nation gedeihen, wenn eine Schicht in starker Armut lebe. Einer Gesellschaft geht es demnach so gut, wie seiner schwächsten Schicht. Wenn ökonomische Rationalität also das Eigeninteresse von Subjekten anrege, dann habe dies Auswirkungen auf den Markt – im Idealfall positive.

Trotz der potenziell positiven Effekte ökonomischer Rationalität verstoßen ökonomische Rationalisierungen allerdings immer wieder gegen Menschenrechte und die Menschenwürde, so Höffe im Weiteren. Um dies einzudämmen sei eine grundlegende Rechtsordnung notwendig, die klare Gesetze zum Schutz der Menschen vorgibt. Diese Rechtsordnung dürfe Gerechtigkeit aber nicht einfach rational ableiten, da sonst die Gefahr der Ungleichbehandlung bestehe. Denn aufgrund von Informationsdefiziten oder dem Streben von Individuen nach Nutzenmaximierung können Rationalisierungen – bewusst oder unbewusst – zu Ungleichbehandlung führen. Nicht umsonst trage Justitia, die als Symbol für Gleichheit und Gleichbehandlung vor dem Gesetz steht, eine Augenbinde. Insgesamt zog Höffe das Fazit: Ökonomische Rationalität an sich sei nicht unvernünftig, aber vernunftlos. Deshalb könne sie selbst keine wahre Vernunft hervorbringen, geschweige denn vernünftig sein.

Nach einer sehr lebhaften Diskussion des Publikums mit dem Referenten schloss der Abend mit dem alljährlichen Empfang des Instituts für Katholische Theologie, in dessen Rahmen das neue Studienjahr mit Wein und Gebäck gefeiert wird.

Hinweis

Diesen Text verfasste Christina Mahlmeister. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.