Geld eine Ersatzreligion?!

Am vierten Abend des Theologischen Forums im Wintersemester 2015/2016 widmete sich Prof. Dr. Christoph Deutschmann (Universität Tübingen) dem Thema „Kapitalismus, Religion und die Idee des Dämonischen“. In seinem Vortrag griff der Soziologe die Forumsthematik „Geld regiert die Welt!? Ökonomisches Denken als Herausforderung für die Theologie“ soziologisch auf.

Nach einer kurzen biographischen und thematischen Einführung zur Person und Forschungstätigkeit von Prof. Dr. Deutschmann durch Prof. Dr. Klaus Bieberstein, übernahm der Referent selbst das Rednerpult und eröffnete seinen Beitrag zum mit der provokanten Äußerung, dass Geld in unserer postmodernen, kapitalistischen Gesellschaft den Stellenwert einer Religion oder den heimlichen Ersatz für eine Religion darstelle.

Im Folgenden ging Deutschmann auf die Markterzählung ein, und erläuterte, was darunter verstanden werden könne. Sie sei ein Mittel, den Markt zu verstehen und zu betrachten, dennoch bleibe sie der Blickwinkel einer vermeintlichen Objektivität, die im Konkreten nicht reell gegeben ist.

Im Kern der Markterzählung liege ein Versprechen auf Wohlfahrt verborgen, das sich nur dann erfüllen lässt, wenn sich beide Tauschpartner – die Teilnehmer des Marktes – auf gleicher Ebene begegneten; was wiederum zur Frage von individueller Leistung führe und nach der Motivation dieser Leistung. Daher werde mit Adam Smith auch vom Markt als sich selbst regulierendem System gesprochen.

Kapitalismus im Sinne des Marktes unterlag zum Teil auch anderen Prinzipien. Diese – so Deutschmann – greifen heute in einem sogenannten entgrenzten Kapitalismus nicht mehr. Und so könne vom Kapitalismus als „weltweiter Religion“ gesprochen werden, insofern er ein System repräsentiert, das nahezu alle Länder gemeinsam haben, eine Sprache und eine Orientierung bietet, der sich niemand völlig entziehen kann. Der Markt ist nicht mehr national begrenzt, sondern weitet sich international aus. Und aus dieser Ausweitung heraus entsteht parallel die Gegenbewegung innerhalb des nationalen Marktes, um das Überleben einzelner Nischenbereiche gegenüber der Entgrenzung zu sichern.  

Im letzten Teil seines Vortrags erläuterte der Soziologe an Elementen der Markterzählung die Ambivalenz des Kapitalismus im Rekurs auf den Begriff des „Dämonischen“. Das Dämonische des Kapitalismus liegt demnach darin, dass er sowohl schöpferisch, als auch zerstörerisch wirkt, und dass das zunächst Gute (Schöpferische) nicht selten dem Zerstörerischen weicht und daraus problematische Resultate hervorgehen.

In der abschließenden Gesprächsrunde unter der Moderation von Florian Brustkern, Wiss. Mitarbeiter im Institut KTheo, entwickelten sich rege Diskussionen zwischen Prof. Deutschmann und den zahlreich erschienen Gästen.

Hinweis

Diesen Text verfasste Maximilian Großer. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.