Theologisches Forum 2005/2006
Fromm – und sonst nichts? Theologie in Politik und Gesellschaft
Vorträge der Reihe
Donnerstag, 3. November 2005
Gott und Gesellschaft – Zur politischen Provokation der Bibel
Prof. Dr. Erich Zenger, Münster
Donnerstag, 8. Dezember 2005
Politische Theologie – passé? Wider die „Entpolitisierung“ der Theologie
Prof. Dr. Jürgen Manemann, Erfurt
Donnerstag, 12. Januar 2006
„In God We Trust“ Religiöse Formeln in der Politik – Fluch oder Segen?
Dr. Katja Mertin, Delmenhorst
Mittwoch, 25. Januar 2006
Mehr als nur Ethik! Was Politik und Gesellschaft von der Theologie erwarten dürfen – und was nicht
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rita Süssmuth, Berlin
Donnerstag, 2. Februar 2006
Sich einmischen!? Wie lassen sich Glauben und Politik verbinden?
- Prof. Dr. Reinhard Zintl, Bamberg
- Michael Roth MdB, Berlin
Anschl. Podium mit:
- Sr. Dr. Benedikta Hintersberger OP, Augsburg
- Prof. Dr. Roman Siebenrock, Innsbruck
- Moderation: Prof. Dr. Heimo Ertl (Nürnberg)
Bei Veränderungen ist der Einzelne gefragt. Rita Süssmuth setzt beim Theologischen Forum auf den „Aufbruch von unten“
Von Gertrud Lange
Die politisch-praktische Seite von Theologie und Glaube beschäftigt nicht nur Theologen. Das bewies Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D (CDU), bei ihrem Vortrag in der Reihe „Theologisches Forum“ am 25. Januar, in der AULA der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
„Spiritualität bedeutet nicht, dass man die Welt sich selbst überlässt!“, mit diesen Worten rief Rita Süssmuth während ihres Vortrages „Mehr als Ethik! Was Politik und Gesellschaft von der Theologie erwarten dürfen – und was nicht“ am 25. Januar im Rahmen des Theologischen Forums die einzelnen Christen auf, sich zu engagieren. Hauptaufgabe von Kirche und Gläubigen sei es, „das einzufordern, was für eine humane Gesellschaft eingefordert werden muss“ – etwa den Schutz des ungeborenen Lebens, betonte die CDU-Politikerin im vollen Dominikanerbau.
Süssmuth ermutigte ihre Zuhörer, bei ihrem Einsatz den Streit mit Andersdenkenden nicht zu scheuen. „Wir alle müssen um Maßstäbe ringen, zum Wohl der Menschen“, sagte die ehemalige Bundesministerin für Jugend, Familie, Gesundheit und Frauenfragen. Menschen, die etwas verändern wollten, suchten sich am besten eine Gruppe Gleichgesinnter, empfahl Süssmuth. Denn: „Die Dinge müssen nicht so bleiben, wie sie sind.“ Veränderungen seien möglich, verlangten aber eben auch einen entsprechenden Einsatz. Bei Enttäuschungen sollten sich besonders ehrenamtlich Tätige nicht entmutigen lassen. Veränderungen – nicht nur in der Politik – brauchten oft Zeit.
Lob für Einsatz der Kirchen
So habe es beispielsweise während ihrer aktiven politischen Tätigkeit eine lang andauernde Debatte darüber gegeben, ob eine geschlechtsspezifische Bedrohung, etwa bei Massenvergewaltigungen, Grund sei, weibliche Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Süssmuth erinnerte an den Einsatz der beiden großen Kirchen, die „nicht müde geworden sind, das Anliegen so lange vorzutragen, bis in der Sache endlich eine Anerkennung erfolgte“.
Nicht umsonst erwarteten die Menschen viel von den Kirchen, so Süssmuth. Gerade sie hätten das Potenzial, öffentlich Gerechtigkeit einzufordern, da sie sich auf Gott als letzten Maßstab beriefen. „Es war zum Beispiel ganz wichtig, wie der vormalige Papst Johannes Paul sich in die Diskussion um den Irak-Krieg eingebracht hat“, betonte Süssmuth. Dadurch habe der katholische Oberhirte ein starkes öffentliches Zeichen gesetzt.
Der Einzelne ist gefordert
Nicht nur die Kirchen als Institutionen, sondern besonders die einzelnen Gläubigen rief Süssmuth auf, sich für eine menschliche Gesellschaft und das Wohlergehen aller einzusetzen und ihre Glaubensüberzeugung öffentlich zu vertreten. „Wir haben keinen Grund, skeptisch und angstvoll auf die Möglichkeiten des Religiösen in unserer Gesellschaft zu blicken“, betonte die CDU-Politikerin. Gerade die Verständigung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften und Gesellschaftsschichten geschehe nämlich auf zwischenmenschlicher Ebene. Süssmuths größte Hoffung richte sich auf die Zivilgesellschaft, da keine Sozialbehörde leisten könne, was Menschen füreinander tun würden. Viele Probleme ließen sich so zumindest verbessern, etwa der Schutz des ungeborenen Lebens, eine gerechte Arbeitswelt, ein menschenwürdiges Altern, der Dialog der Religionen. Gläubige Menschen seien hier im Vorteil, meinte Süssmuth und gab in kleinem Kreis zu: „Ohne meinen Glauben hätte ich meine politische Arbeit so nicht durchgehalten.“
Mit freundlicher Genehmigung wurde dieser Bericht übernommen von News Wintersemester 2005/2006 vom 30.01.06
Sorgfältiger Umgang mit der Bibel angemahnt. Auftaktveranstaltung des Theologischen Forums
Von Gertrud Lange
Was hat das Alte Testament mit dem Alltag von Christen heute zu tun? Wenn es nach Prof. em. Erich Zenger (Münster) geht, sehr viel. Der bekannte Exeget erläuterte bei seinem Vortrag in der Reihe „Bamberger Theologisches Forum“ am 3. November in der Fakultät Katholische Theologie das Gottesbild der Heiligen Schrift - und machte klar: Wer an den Gott der Bibel glaubt, sollte es nicht beim Kirchgang belassen.
Zu Beginn seine Vortrages "Gott und Gesellschaft - Zur politischen Provokation der Bibel" kam Zenger auf zwei bekannte Propheten zu sprechen: Amos und Hosea, deren Schriften auf das 8. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Priorität habe bei ihnen immer der Einsatz für Gerechtigkeit – und zwar noch vor dem Gottesdienst. Ihr Grundtenor laute: Wo Gott nicht in den konkreten Alltag einbezogen wird, kann man ihn auch nicht in der Liturgie finden. „Eine Liturgie, die nicht in eine lebendige Gottesbeziehung eingebettet ist, ist nach Hosea eine Sünde“, verdeutlichte Zenger. Noch provozierender formuliere es Amos, der „Recht und Gerechtigkeit als Maßstab eines wahren Gottesdienstes“ sehe - nach Zenger eine bleibende Mahnung auch für die Christen heute.
Mehr Einsatz für die Gesellschaft
Der Glauben an Gott müsse sich in Gerechtigkeit realisieren. „Das Ergriffensein von Gott macht den Gläubigen nicht blind für die Welt. Vielmehr bekommt er offene Augen für die Leidenden“, sagte Zenger. „Nur wer die Spannung zwischen Kontemplation und Kampf gegen Ungerechtigkeit erfasst und aushält, hat begriffen, dass der biblische Gott die Welt als seine begreift und sich um sie sorgt.“ Das Bekenntnis zum Gott der Bibel bedinge also keine weltabgewandte Frömmigkeit, sondern vielmehr den Einsatz für die Gesellschaft. Dabei empfahl Zenger engagierten Christen einen Blick auf das Alte Testament. Er könne es nicht verstehen, so der Münsteraner Forscher, dass die CDU mit dem Wahlspruch „Sozial ist, was Arbeit schafft“ auf sich aufmerksam mache. Denn das sei nicht das Proprium der Bibel. „Die Politik muss Wächter dafür sein, dass die Schwachen in unserer Gesellschaft nicht auf der Strecke bleiben“, betonte Zenger. Und auch die Kürzung caritativer Ausgaben in der katholischen Kirche erachtete er „zumindest als unbiblisch“. Maßstab müsse stets der Schwache sein. Orientiere sich eine Gesellschaft daran, so herrsche sozialer Friede.
Gleichzeitig mahnte Zenger einen sorgfältigen Umgang mit der Bibel als dem Wort Gottes an. So müssten genaue Übersetzungen erarbeitet werden und scheinbar unverständliche Passagen nicht einfach der Harmonie halber gestrichen werden – so geschehen im kirchlichen Stundengebet, wo aus Psalm 139 die Verse 19 bis 22 getilgt wurden. Sie lauten: „Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, lasst ab von mir! Sie reden über dich voll Tücke und missbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die dich verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse euch mit glühendem Hass; auch mir sind sie zu Feinden geworden.“ Eine solche Passage aus dem Gebet zu tilgen, sei keine Lösung, so Zenger. Vielmehr müsse man den Gläubigen klar machen, was Menschen in alttestamentlicher Zeit unter „Hass“ verstanden. Hier habe sich nämlich eine Bedeutungsverschiebung ergeben: Hass meine nicht wie heute ein blindes, irrationales Gefühl gegenüber jemandem. „Die beste Übersetzung für Hass, wie ihn die Bibel versteht, wäre: Mit Leidenschaft gegen das Böse in der Welt kämpfen“, erklärte Zenger.
Die Zukunft der theologischen Bibelauslegung (Exegese) sieht der vor einem Jahr emeritierte Zenger kritisch. Als historische Wissenschaft beschäftigte sich die Bibelexegese zu Recht mit den vielen religionsgeschichtlichen und literaturwissenschaftlichen Fragen, die die Bibel als ein Dokument der Antike aufwirft. Er hoffe aber, dass den Exegeten dabei weder die Kraft noch die Leidenschaft für ihre gesellschaftliche und kirchliche Aufgabe ausgehe, nämlich die Bibel als ein höchst aktuelles Buch über das Kommen des Gottesreiches auszulegen. „Für mich persönlich ist die Bibel das schönste, spannendste und wichtigste Buch, das ich kenne“ schloss Zenger seinen Vortrag.
Mit freundlicher Genehmigung wurde dieser Bericht übernommen von News Wintersemester 2005/2006 vom 21.11.05