Exkursion des Instituts für Katholische Theologie nach Köln

Religion in der Großstadt

Am 10./11. Oktober 2016 besuchten 35 Studierende und neun Dozierende des Bamberger Instituts für Katholische Theologie die Domstadt am Rhein, um abseits von Vorlesungssälen und Seminardiskussionen der Wechselwirkung von Religion und Großstadt nachzuspüren. Dabei stand die Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte und Architektur ebenso auf dem Programm wie die Beschäftigung mit gesellschaftlichem Engagement aus religiösem Antrieb heraus. Ein interreligiöser Ausblick rundete die Fahrt ab.

In einer ersten Arbeitseinheit beschäftigten wir uns im Kunstmuseum Kolumba des Erzbistums Köln mit der Frage der zeitgemäßen Inszenierung der Vergangenheit in doppelter Hinsicht: Unter welcher Gestalt präsentiert sich ein musealer Ort im Herzen Köln (von verschiedenen Strömungen der Nachkriegsarchitektur umgeben) nach außen hin? Wie werden sakrale Exponate jeweils in Nachbarschaft und Wechselwirkung zu moderner (religiöser) Kunst dargeboten?

Daran schloss sich eine Impuls- und Diskussionsphase im Domforum unter dem Titel „Jede Jeck es anders!“ an. Felix Rohr (Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kirchengeschichte) referierte über die mittelalterlichen Wallfahrten zum Schrein der Heiligen drei Könige, in deren Kontext die Kölner es verstanden, zumeist arme Pilger aus der Ferne zu versorgen, die sich zu den Reliquien der Fremden aus dem Morgenland aufgemacht hatten. In einem weiteren Input sensibilisierte Ute Zeilmann (Wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Alttestamentliche Wissenschaften) dafür, die alttestamentliche Rut-Erzählung als idealtypischen Integrationsprozess zu lesen. Nachdem Vertreter der Erzdiözese Köln und des Stadtdekanats den Kölner Einsatz um Willkommenskultur u. a. anhand der „Aktion Neue Nachbarn“ vorgestellt hatten, standen in einer lebendigen Diskussion vor allem Fragen nach Strukturen, praktischer Umsetzung und der Blick auf die Zukunft im Zentrum. Dabei wurde erarbeitet, wie christliches Engagement im Spannungsfeld von Religion(en) als Generierungszusammenhang von Identität und Alterität die Entwicklung städtischer Kultur prägen kann.

Der zweite Tag der Exkursion begann mit dem Besuch des Notels, einer Notschlafstelle für obdachlose Drogenabhängige. Die von der Stiftung der Spiritaner getragene Einrichtung setzt den Missionsbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) um, indem sie sich der Arbeit an den Ärmsten der Armen annimmt, so die Notel-Leiterin Bärbel Ackerschott. Durch das Angebot von Bett, Dusche und Abendessen wollen die Notel-Mitarbeiter/innen ihren Gästen absichtslose Wertschätzung entgegenbringen, Verwahrlosung verhindern und einen Raum der Ruhe zu bieten. Insbesondere das christlich motivierte Engagement in Absichtslosigkeit wurde in der Fragerunde von den Studierenden als größte Herausforderung bewertet: Die teils festangestellten, teils ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen nehmen sich der Drogenabhängigen nicht in der Intention, die Sucht zu heilen an – sondern in der bloßen Fürsorge für deren Dasein. Nicht zuletzt die eindrucksvolle Rückbindung dieses Engagements an die katholische Spiritualität faszinierte Studierende wie Dozierende.

Darauf folgte eine Führung durch das Wahrzeichen der Stadt, den Kölner Dom, der den Dreikönigsschrein beherbergt. Dabei war von besonderem Interesse, inwiefern der im Mittelalter fertiggestellte Ostteil der Kathedrale – als „Stadt in der Stadt“ – wie ein architektonisches Abbild des himmlischen Jerusalem angelegt ist: Sind die Fassaden, verziert mit Zinnen, Türmen und Engeln als Wächter selbst als das Außen einer Stadt zu verstehen und damit als zur profanen Stadt distinkt, verweisen der helle Lichteinfall durch die großen Fenster sowie die Höhe des mittelalterlichen Kirchenschiffs auf den Himmel selbst. Markant für die architektonische Umsetzung dieser Verheißung ist, dass die leuchtenden Farben, die den Innenraum mit Licht durchfluten, an die zwölf Edelsteine erinnern, die die Erscheinung des himmlischen Jerusalems nach Offb 21,19-21 prägen.

Die Frage nach religiöser Architektur und ihrer Wechselbeziehung mit dem öffentlichen Raum stand auch im Zentrum der Führung durch das Gelände der noch im Bau befindlichen Zentralmoschee der DİTİB in Köln-Ehrenfeld. Der Komplex wird nach seiner Eröffnung neben einem Gebetsraum für ca. 1200 Gläubige auch mit einer Mall mit Bekleidungsgeschäften und halal-Gastronomie sowie einem Informationszentrum mit Konferenzräumen und einer wissenschaftlichen Bibliothek ausgestattet sein. Die offene Platzanlage ohne Mauern und die Fassadengestaltung mit hohem Glasanteil sollen schon in der äußeren Wahrnehmung den Zugang zum Grundstück erleichtern. Die integrierten Geschäfte und Cafés vermögen die Kommunikation und damit Wechselwirkung mit dem Stadtteil zu eröffnen. Nach einem Austausch zur Gemeindearbeit der Muslime in Köln-Ehrenfeld und über Interreligiosität in Köln endete die Exkursion mit der nächtlichen Fahrt gen Bamberg ins beginnende Wintersemester.

Diesen Text verfasste Simon Steinberger. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

 

Arbeitseinheiten

  • Inkulturationen. Wie das Christentum Kunst und Architektur einer Großstadt prägt (Museum Kolumba) (Leitung: Konstantin Lindner)
  • „Jede Jeck es anders!“ Integration und Willkommenskultur in Köln gestern und heute (Leitung: Felix Rohr / Ute Zeilmann)
  • Stadt in der Stadt. Der Kölner Dom als Abbild des himmlischen Jerusalem (Leitung: Klaus Bieberstein / Konstantin Lindner)
  • Glaube am Rand. Christliches Handeln an den Brennpunkten des städtischen Lebens (Notel - Notschlafstelle für obdachlose Drogenabhängige) (Leitung: Florian Brustkern / Thomas Weißer)
  • „Mut zum WIR“ Der interreligiöse Dialog in Köln (Leitung: Marlene Moschko / Marie-Theres Ultsch)