KI und Schreiben
Ko-Kreation mit ChatGPT: Die Geschichte
Mein Ziel ist es, mich langsam an die Geschichte heranzutasten. Da ich die Möglichkeiten und auch die Grenzen von ChatGPT austesten möchte, ist es notwendig, mehrere Schritte einzubauen. Deshalb starte ich zunächst mit der Frage, ob mir das Programm dabei helfen kann, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Durch die Antwort wird sofort deutlich, dass es mehr als nur eines Stichwortes bedarf, um die Kreativität der KI in Schwung zu bringen. Ich soll ihm eine Idee oder ein Thema liefern, wenn mir etwas im Kopf schwirrt, oder bestimmte Elemente oder Stile nennen, die ich in meiner Geschichte verwenden möchte. Die Devise hier ist offensichtlich: Je mehr Informationen, desto besser. An dieser Stelle ist also klar: So ganz ohne meinen Input funktioniert das Ganze also nicht.
Weil ich, wie bereits erwähnt, alles gründlich untersuchen möchte, nenne ich ihm zunächst mein grobes Thema: Künstliche Intelligenz. Ehrlicherweise hatte ich schon an dieser Stelle erwartet, eine kurze Geschichte ausgespuckt zu bekommen, die allgemein um KI handelt, weswegen mich die Antwort des Programms durchaus überrascht. Was ich erhalten habe, ist eine strukturierte Gliederung mit Angaben, die ich in das Programm einspeisen kann, um die Geschichte zum Leben zu erwecken.
Hätte ich vorher nicht schon eine Idee gehabt, in welche Richtung meine Geschichte in etwa gehen soll, hätte ich spätestens hier eine gefunden. Denn ChatGPT gibt mir mehrere Optionen an, welche Aspekte der künstlichen Intelligenz ich in meiner Geschichte beleuchten könnte. Hier beweist die KI also schon mal, dass sie sich mit dem Thema durchaus auskennt, es von meiner Seite aber noch einer besseren Strukturierung bedarf. Sollen ethische Fragen behandelt werden, soll die menschliche Interaktion mit der KI im Vordergrund stehen? Geht es um die Zukunft der Technologie? Oder etwas ganz anderes? Dass eine Geschichte von Charakteren getragen wird, weiß ChatGPT ebenfalls und verknüpft auch hier sein Wissen über die Thematik mit den Anforderungen an eine gute Erzählung: „Sind es Menschen, KI-Entwickler, Maschinen oder sogar selbstbewusste KIs?“ Besonders über letztere Option bin ich positiv überrascht, denn die KI hat meine Idee scheinbar vorweggegriffen.
Einen Konflikt hatte ich mir für meine Geschichte auch schon grob überlegt, worauf mich das Programm auch hinweist. Aber auch hier zeigt es mir verschiedene Alternativen, denn Konflikt ist nicht gleich Konflikt: Ist es zum Beispiel ein moralisches Dilemma oder ein technisches Problem? Auch das Setting hatte ich vorher schon im Kopf gehabt, bevor mir ChatGPT die Möglichkeiten aufzeigt, wie: Gegenwart, Zukunft oder alternative Realität.
Als Nächstes möchte die KI, dass ich über die Botschaft meiner Erzählung nachdenke, die ich mit ihr verbreiten möchte. Denn jede gute Geschichte hat schließlich eine Botschaft, oder? Ich erzähle ja nicht nur um des Erzählens willen. Und hätte ich mir nicht vorher schon Gedanken gemacht, wäre ich über die Aufzählungen der KI sehr dankbar, denn auch hier beweist sie ihr Wissen über die Thematik: Vor- und Nachteile von KI, Fragen zur Menschlichkeit, die Gefahren und Chancen der Technologie. Dass meine Überlegungen in gewisser Weise alle Aspekte aufgreifen, sehe ich hier als Vorteil.
Über den nächsten Punkt bin ich jedoch überrascht, denn ich werde nach dem Schreibstil gefragt und hätte nicht damit gerechnet, dass das Programm an so etwas ‚denkt‘. Natürlich wusste ich bereits vorher, welche Atmosphäre das Ganze haben soll, bin aber trotzdem froh über die Optionen: „Soll es eine ernste, philosophische Erzählung sein, oder möchtest du Humor und Ironie einbringen? Der Stil sollte zur Atmosphäre und zum Thema passen.“ Und besonders der letzte Satz lässt mich kurz innehalten und fragen: Habe ich das beachtet? Passt meine Art der Erzählung automatisch zu meinem Thema? Wer hätte gedacht, dass mich eine KI in dieser Hinsicht zum Nachdenken anregt.
Den nächsten Hinweis zur Recherche empfinde ich persönlich als selbstverständlich. Wer nichts über ein Thema weiß, kann auch nichts dazu schreiben – vorausgesetzt, man hat keine KI zur Verfügung, die einem alle wichtigen Informationen liefern kann. Dass das Programm also doch ein wenig Eigeninitiative von mir erwartet, obwohl es mir all diese Infos selbst schildern könnte, empfinde ich als amüsant und recht erfrischend: in Hinblick auf den drohenden Verlust des eigenen Anteils, in Hinblick auf das Arbeiten mit der KI und besonders in Hinblick auf dieses Projekt, das genau dies testen soll.
„Schreibe den ersten Entwurf deiner Geschichte und überarbeite ihn dann mehrmals“, heißt es dann nun. „Achte auf Klarheit, Charakterentwicklung und Handlungsverlauf. Stelle sicher, dass deine Geschichte fesselnd und ansprechend ist.“ Aber wäre das nicht die Aufgabe von ChatGPT? Und an dieser Stelle wird mir klar: Eine Geschichte schreiben kann das Programm allemal, schließlich hat es alle Informationen darüber, wie man eine ‚gute‘ Geschichte schreibt. Ob diese Geschichte aber wirklich gut ist, ist doch letztendlich der Einschätzung der Menschen überlassen. Ist meine Empfindung über die vorgeschlagene Geschichte dann nicht genauso wichtig, wie der Vorschlag von ChatGPT? Ein Autor veröffentlicht sein Werk im Normalfall nur dann, wenn er sich damit identifizieren kann und zufrieden ist. In diesem Fall könnte eine KI niemals als Autor gelten, da sie nur die Kriterien kennt, die eine Erzählung ‚gut‘ machen, es selbst aber nie einschätzen könnte, ob es wirklich gut ist – ob es aus menschlicher Sicht gut ist. Und schließlich kann nur derjenige dies beurteilen, der die Kriterien von Anfang an aufgestellt hat.
Nun habe ich also alle wichtigen Schritte, die ich laut ChatGPT beachten muss, auf einen Blick. Und da ich einer klaren Linie folge, werde ich meinen Input in das Programm auch daran anpassen. Das heißt konkret: Meine Vorstellung von der Geschichte muss erst einmal warten, denn ich werde bewusst nur die Punkte und Optionen verwenden, die mir das Programm vorgegeben hat. Ich konzentriere mich demnach auf Idee, Charakter, Konflikt, Setting, Botschaft und Schreibstil meiner Geschichte.
Auch hier habe ich erwartet, dass sich nun endlich eine Geschichte generiert, aber die KI will mir die Arbeit wohl nicht ganz vorwegnehmen. Stattdessen bekomme ich eine ‚grobe Skizze‘ mit einem Titel, einer Einleitung, den Charakteren, dem Konflikt und der Handlung, der Entwicklung, dem Höhepunkt, der Auflösung und dem Schlussgedanken. Hier gibt ChatGPT schon konkrete mögliche Ideen vor, legt allerdings die Auflösung und den Schlussgedanken in meine Hände. Den Vorschlag des Programmes finde ich gut, merke aber an dieser Stelle, dass ich eine Eingabe, die zu einem anderen Output geführt hat als gewünscht, wohl falsch verstanden habe. Deshalb wiederhole ich meinen Input und ändere eine konkrete Eingabe. Was ich zunächst positiv finde: Die KI schlägt nicht ein völlig neues Thema und eine neue Handlung vor, sondern bleibt grob bei den Hauptcharakteren und lässt das Setting auch gleich.
Aber auch hier wird nicht die Richtung aufgegriffen, die ich mir zu Beginn vorgestellt hatte. Deshalb ist hier nun die Stelle, an der ich von den vorgegebenen Optionen des Programms abweiche und meine eigene Idee mit einspeise. Ein großer Vorteil ist: Nun weiß ich, wie ich was in ChatGPT eingeben muss. Nachdem ich die Beschreibung angegeben habe, die ich hier zu Beginn aufgeführt hatte, und das Programm beginnt, eine Skizze zu generieren, bekomme ich mittendrin die Meldung, dass mein Inhalt die „Content Policy“ verletzen könnte. Was besonders interessant ist: Nachdem ich auf „Regenerate“ drücke, schlägt mir das Programm andere Charaktere und Verläufe der Geschichte vor. Ein Input kann also zu mehreren Outputs führen.
Dieser Vorschlag gefällt mir deutlich besser, weshalb ich die KI bitte, mir die Skizze auszuarbeiten. Der Vorschlag ist allerdings unspektakulär und erinnert mehr an eine Aufzählung als an eine spannende und fesselnde Geschichte. Die Protagonisten haben keine Namen, die Handlungen werden nicht weiter beschrieben, und es gibt keine Unterhaltungen zwischen Charakteren. Genau auf diese Mängel spreche ich ChatGPT an und bitte es, meine Punkte mit einzubauen. Aber auch die zweite Version entspricht nicht meinen Vorstellungen. Das Ganze wirkt eher unpersönlich und zusammengebastelt. Auch nach weiteren konkreten Angaben meinerseits – wie eine genauere Beschreibung der Gedanken der Protagonistin, eine genauere Beschreibung der Geschichte und Beziehung der Charaktere, natürlichere Unterhaltungen oder ein direkter Einstieg – setzt die KI meine Vorstellungen nicht so um, wie ich es mir erhofft hatte. Natürlich liegt es an meinem persönlichen Empfinden, aber die Geschichten von ChatGPT gefallen mir nicht.
Meine nächste Idee ist es, meinen Schreibstil in das Programm einzuspeisen, also gebe ich einen von mir geschriebenen Textausschnitt ein, was allerdings nicht funktioniert. Die KI tauscht lediglich die Charaktere aus, schreibt den Text dementsprechend aber nicht um. An dieser Stelle wird deutlich, dass ich eine Geschichte, die allein von ChatGPT geschrieben wurde, nicht übernehmen könnte. Deshalb entscheide ich mich dazu, selbst zu schreiben – zumindest den Anfang.[i] Anschließend bitte ich die KI, meinen selbstgeschriebenen Text fortzuführen; und – darüber bin ich wirklich überrascht – es hat meine Erzählung tatsächlich in diesem Stil fortgeführt und mögliche weitere Handlungen der Geschichte generiert. Ich lasse mir also mehrere Versionen schreiben und nutze von ihnen unterschiedliche Teile, die ich dann selbst zusammenstelle. Nachdem ich noch die von ChatGPT generierten Anteile etwas umgeschrieben habe, habe ich eine Geschichte vor mir, mit der ich ehrlicherweise zufrieden bin.
Die KI hat mir gut geholfen und einen Überblick darüber gegeben, welche Punkte ich beim Schreiben einer Geschichte beachten muss. So wie Becker berichtet, lässt sich das Tool gut zur Themenfindung nutzen. Auch gut geholfen hat es mir bei der weiteren Ausarbeitung eines von mir geschriebenen Textes. Hier hat ChatGPT das Thema einwandfrei aufgegriffen und meinen Schreibstil authentisch fortgeführt. Nicht so gut hingegen hat das Einspeisen eines meiner Texte funktioniert, der inhaltlich nicht zum Thema KI gepasst hat. Hätte ich den Text von dem Programm schreiben lassen und ihm nur groben Input gegeben, hätte ich den Gedanken, die KI als Autor einzuordnen, naheliegend gefunden. Da ich allerdings den ersten Teil der Geschichte selbst verfasst habe (da also nicht nur der Schreibstil von mir war, sondern auch der Inhalt), habe ich meine Rolle als Autor vorherrschend eingenommen. ChatGPT hat meine Erzählung zwar akkurat fortgeführt, aber ich würde nicht behaupten, dass das Programm der alleinige Autor ist – im Gegenteil: Hier ist eine deutliche Ko-Kreation zwischen der KI und mir entstanden, was ich prinzipiell so auch offenlegen würde. Geht es allerdings um das Veröffentlichen von Literatur, stellt sich die Frage, inwieweit diese Mitarbeit genannt werden sollte, oder ob dies überhaupt getan werden sollte. Den Klappentext und die Beschreibung des Buches lasse ich für dieses Experiment weg, da es nicht wirklich veröffentlicht werden soll. Wäre dies trotzdem der Fall, würde ich den Text in ChatGPT eingeben und mir eine Zusammenfassung generieren lassen.
[i] An dieser Stelle habe ich mich dazu entschieden, keine Kurzgeschichte zu veröffentlichen, sondern lediglich den Anfang einer normalen Geschichte.
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