„Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachenkompetenz in deutschen Städten des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit“
Bamberg, 6. – 7. Juli 2007
Organisation: Prof. Dr. Helmut Glück, Prof. Dr. Mark Häberlein
Das Symposion findet im Rahmen eines Forschungsprojektes statt. Ziel des Projektes ist die systematische Erforschung und Darstellung der Geschichte des Fremdsprachenerwerbs in den großen Reichsstädten Augsburg und Nürnberg vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert.
Nürnberg und Augsburg entwickelten sich im späten Mittelalter zu den maßgeblichen Wirtschaftszentren Mitteleuropas und zu Mittelpunkten kommerzieller und politischer Netzwerke, die ganz Europa umspannten. Bis ins 13. Jahrhundert wurde das Schrifttum in Verwaltung, Justiz, Diplomatie und Handel auf Lateinisch verfasst. Im 14. Jahrhundert übernahmen die Volkssprachen diese Rolle. Gegenstand des Projekts ist die Frage, wie reichsstädtische Institutionen sowie die Handels- und Bankhäuser beider Städte mit den Verständigungsproblemen umgingen, die der Verkehr mit fremden Sprachräumen mit sich brachte. Wie wurden die Sprachkenntnisse erworben, die dafür erforderlich waren? Wie weit reichte die Sprachkompetenz Augsburger und Nürnberger Kaufleute, Handelsdiener, Handwerker und Ratsherren? Dass die kommunalen und privaten Akteure diese Sprach- und Verständigungsprobleme lösten, ist offensichtlich: Es gibt keine Indizien dafür, dass Aufstieg und Zentralität der beiden Reichsstädte durch Sprachprobleme gefährdet gewesen wären. Wie sie sie lösten, ist jedoch nur ungenau bekannt. Ziel des Projekts ist eine Bestandaufnahme der Maßnahmen und Strategien, die in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (ca. 1300-1806) in Nürnberg und Augsburg ergriffen wurden, um den offenkundigen Bedarf an Fremdsprachenkompetenz zu decken. Durch die Erhebung einschlägiger archivalischer und gedruckter Quellen sowie die Analyse deutscher und fremdsprachlicher Texte (Kaufmannsbriefe, diplomatische Korrespondenz, Sprachlehrbücher etc.) soll die Geschichte der Sprachenpolitik, des Fremdspracherwerbs und Fremdsprachengebrauchs in den beiden wichtigsten süddeutschen Reichsstädten rekonstruiert werden.
Dabei sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung: 1. Die städtischen und privaten Schulen: welche Volkssprachen wurden mit welchen Lernzielen und Lehrmitteln unterrichtet? Gab es curriculare Konzepte? Welche Qualifikationen besaßen die Lehrkräfte? Gab es speziellen Ausbildungsprogramme für Mädchen? 2. „Kindertausch“: Seit dem 15. Jahrhundert wurden Kinder und Jugendliche v. a. nach Norditalien, Frankreich und in die Niederlande geschickt, damit sie dort neben kaufmännischen Grundkenntnissen auch Fremdsprachenkenntnisse erwarben. 3. Die Vorbereitung von Gesellen und Handelsdienern auf Auslandsaufenthalte. Erwarben sie zu Hause oder erst in der Fremde Kenntnisse der Sprache, der „Sitten“ und kulturellen Differenzen? 4. Zuwanderung und Einbürgerung von Personen nichtdeutscher Muttersprache. 5. Dolmetscher und Übersetzer, v. a. bei kurzfristigen und unregelmäßigen Kontakten mit dem jeweiligen Sprachgebiet. 6. Sprachmeister in Privatschulen (vgl. 1) oder im Gruppen- oder Einzelunterricht in Privathäusern. 7. Der Unterricht an der Universität Altdorf. 8. Das Beherbergungs- und Speditionsgewerbe: sprachkundige Wirte, Fuhrleute, Service- und Sicherheitspersonal. 9. Die Polizei und die Organe der Justiz im Umgang mit anderssprachigen Personen.
Das Symposium soll im Rahmen der Projektvorbereitung einer kritischen Bestandsaufnahme des Kenntnisstandes und dem Austausch mit Expertinnen und Experten für bestimmte relevante Themengebiete dienen.