Prof. Dr. Avinoam Shalem (München)


Islamische Kunstobjekte und die Geburt einer hybriden Ästhestik in den Domschätzen des hohen Mittelalters


Eine bestimmte Gruppe unter den geschnitzten Elfenbeinhörnern, den sogenannten Olifanten, die in der Literatur häufig als die hybride Gruppe der Olifante bezeichnet wird, dient als Ausgangspunkt für meine Erörterung oder eher meine Interpretation des Phänomens der Integration fremder Objekte in einen christlichen Kontext. Vor allem wirft diese besondere Gruppe der Olifante ein Licht auf einen neuen, ästhetischen Zugang zu fremden Objekten und zu fremder Kunst überhaupt, und zwar am Ende des 11. und während des 12. Jahrhunderts im lateinischen Westen. In diesem Vortrag wird von der Entwicklung und den verschiedenen Stufen des mittelalterlichen ästhetischen Konzepts des Hybriden - von seinen Anfängen in einem ‚Spoliengebrauch’ bis zu der Stufe einer dann unabhängigen künstlerischen Sprache gehandelt. Die visuellen Beispiele, welche diese verschiedenen Stufen des Hybriden illustrieren, legen nahe, daß im 12. Jh. und insbesondere in Sizilien das Fremde wahrscheinlich als das abgehoben Andere erkannt und auch bewußt akzeptiert wurde, aber nicht den Status „eines Anderen inmitten“ (of the other within) erhielt.