„Neue Perspektiven der Sprachgeschichte“

Bamberg 11. – 12. Februar 2005


ORGANISATION: PROF. DR. URSULA GÖTZ, PROF. DR. STEFANIE STRICKER


Ausgangspunkt des Kolloquiums war die Beobachtung, dass sich in der Sprachgeschichtsforschung in den letzten Jahrzehnten zwei kontroverse Forschungsrichtungen herausgebildet und zunehmend voneinander entfernt haben. Der eine Forschungsansatz vernachlässigt die Erhebung empirischer Daten weitgehend und bemüht sich demgegenüber verstärkt um eine Theoriebildung. Die gegensätzliche Richtung rückt die Ermittlung empirischer Daten in den Mittelpunkt und versucht dann, aus diesem Material theoretische Erkenntnisse zu gewinnen. Beide Haltungen haben sich derzeit so weit voneinander entfernt, dass die jeweiligen Ergebnisse gegenseitig kaum noch zur Kenntnis genommen werden und damit nicht zu einer Weiterentwicklung der Forschung beitragen.
Unser Anliegen war es, einen Kreis von empirisch arbeitenden Wissenschaftlern, die für eine theoretische Untermauerung der jeweiligen Fragestellungen offen sind, zusammenzuführen und mit ihnen anhand verschiedener sprachhistorischer Themen zu diskutieren, wie theoretische und empirische Forschungsansätze sinnvoll miteinander zu verbinden sind. Auf diese Weise sollten neue Perspektiven der Sprachgeschichte eröffnet werden.
Das Rahmenthema wurde in 17 Beiträgen zum Alt-, Mittel- und Frühneuhochdeutschen unter ganz verschiedenen Aspekten behandelt und jeweils im Anschluss an die Vorträge ausführlich diskutiert.


Folgende Referate wurden gehalten:


HEINRICH TIEFENBACH (UNIVERSITÄT REGENSBURG)
Cers und cunta. Überlegungen zum sexuellen Tabuwortschatz des Althochdeutschen

STEFANIE STRICKER (UNIVERSITÄT BAMBERG)
Neues zu mittelfränkischen Glossen?

LOTHAR VOETZ (UNIVERSITÄT HEIDELBERG)
Beobachtungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung im Althochdeutschen

ELVIRA GLASER (UNIVERSITÄT ZÜRICH)
Glossen als Quellen althochdeutscher Alltagssprache

PETRUS W. TAX (DURHAM, USA)
Sprachgeschichte als Textrezeption. Notkers Psalter in der Überlieferung vom Original (um 1000) bis zur Münchener Fassung (14. Jahrhundert) am Beispiel von Psalm 103

HANS-WERNER EROMS (UNIVERSITÄT PASSAU)
Konnektoren im Alt- und Mittelhochdeutschen

WERNER KÖNIG (UNIVERSITÄT AUGSBURG)
Kaufrufbilder des 18. Jahrhunderts. Eine bisher kaum beachtete Quelle zur gesprochenen Sprache

PETRA EWALD (UNIVERSITÄT ROSTOCK)
Aus der Geschichte eines Zankapfels: Zur Entwicklung der Apostrophschreibung im Deutschen

DIETER NERIUS (UNIVERSITÄT ROSTOCK)
Normiertheit und Variabilität in der deutschen Einheitsorthographie von 1901

MICHAEL SCHLAEFER (DEUTSCHES WÖRTERBUCH, ARBEITSSTELLE GÖTTINGEN)
Perspektiven der historischen Lexikographie

MATTHIAS SCHULZ (DEUTSCHES WÖRTERBUCH, ARBEITSSTELLE GÖTTINGEN)
Die Plurizentrizität des Deutschen als Problem und Aufgabe der Sprachgeschichtsschreibung

CLAUDINE MOULIN (UNIVERSITÄT TRIER)
Regionale Sprachgeschichte. Aspekte einer luxemburgischen Sprachgeschichte

URSULA GÖTZ (UNIVERSITÄT BAMBERG)
Vnnd wer disze meyne rede horet / vnnd thut sie nitt ...  – Zur Herausbildung einer Verb-stellungsbesonderheit der neuhochdeutschen Standardsprache

HANS BLOSEN (UNIVERSITÄT ÅRHUS, DÄNEMARK)
Johannes Bengedans van Greuensten in Hessenlant der hot diß buch ghescriben mit syner hant

NORBERT RICHARD WOLF (UNIVERSITÄT WÜRZBURG)
Die Texte entstehen mit dem Bilden der Wörter. Am Beispiel frühneuhoch-deutscher Wissensliteratur

ANNETTE KLOSA (INSTITUT FÜR DEUTSCHE SPRACHE, MANNHEIM)
Norm(en) – gestern und heute

THEO VENNEMANN (UNIVERSITÄT MÜNCHEN)
Ortsnamen von Personennamen? Das letzte Beispiel

Rolf Bergmann (Universität Bamberg) hat sodann in einem Schlusswort die wesentlichen Aspekte des Kolloquiums nochmals Revue passieren lassen.
Das Kolloquium ist von der Forschungsförderung der Universität Bamberg und dem Zentrum für Mittelalterstudien gefördert worden.
Eine Publikation der Beiträge wird derzeit vorbereitet. Sie ist in der Germanistischen Bibliothek im Universitätsverlag Winter in Heidelberg vorgesehen.