Dr. Christoph Weinert arbeitet am ComputerStephanie Fröba / Universität Bamberg

Zwischen Familie und Beruf: IT-Nutzung verstärkt Konflikte

Wie die Grenze zwischen verschiedenen Lebensbereichen Angestellte beeinflusst, beleuchtet eine aktuelle Arbeit.

Wer kleine Kinder hat, kennt die Situation sicher: Der eigene Nachwuchs buhlt auf ganz besondere Weise um die Zeit und Aufmerksamkeit der Eltern, mitunter zum Nachteil von deren Arbeitsleben. Die leider endliche Zeit, die täglich zur Verfügung steht, entwickelt sich zum Konfliktherd, denn häufig konkurrieren mehrere Rollen um die Ressourcen einer Person. Elternschaft und Karriere unter einen Hut zu bekommen, ist bekanntermaßen eine Herausforderung.

Kommen zudem Technologien wie Videokonferenzen, Emails und Chats ins Spiel, hat dies Auswirkungen auf das bestehende Spannungsverhältnis. Ein Team von Wirtschaftsinformatikern hat jetzt einen genaueren Blick darauf geworfen, welche Konflikte entstehen und welche Rolle dabei die Nutzung von technischen Geräten spielt. Beteiligt waren Dr. Christoph Weinert und Prof. Dr. Tim Weitzel vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen, Prof. Dr. Christian Maier vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Health and Society in the Digital Age und Prof. Dr. Sven Laumer von der Schöller Stiftungsprofessur für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Wenn Arbeits- und Privatleben kollidieren

Das Arbeits- und das Privatleben einer Person stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, das unterschiedliche Konflikte befördert. Zeitliche Konflikte entstehen etwa, wenn die Arbeit die Person länger in Anspruch nimmt und darunter der Haushalt leidet. Wirken sich Belastungen im Arbeitsumfeld auch zu Hause aus, spricht man von erschöpfungsbedingten Konflikten. Anzeichen dafür sind zum Beispiel Anspannung, Müdigkeit und innere Unruhe. Zu den Verhaltenskonflikten zählt, wenn Umgangsweisen vom Arbeitsplatz auf das Privatleben übertragen werden. Das kann sich zum Beispiel in aggressivem Verhalten äußern.

Die Autor*innen der vorliegenden Arbeit haben 862 Angestellte zu ihrer Lebenssituation befragt. Sie konnten bestätigen, dass alle drei Konfliktarten zur Erschöpfung emotionaler und mentaler Ressourcen der Befragten führen. Andere Studien hatten bereits gezeigt, dass die Verbundenheit zur Organisation und die eigenen Kündigungsabsichten von derartigen Konflikten beeinflusst werden. Überraschenderweise zeigte sich in der aktuellen Studie, dass die Befragten mehr Verbundenheit zur Organisation zeigten, wenn sie verstärkt mit erschöpfungsbedingten Konflikten zu tun hatten.

Technik lässt Grenzen verschwimmen

Als ein Mechanismus zur Verminderung von Konflikten untersuchten die Autor*innen die Grenzen zwischen verschiedenen Lebensbereichen. Diese vereinfachen und strukturieren die Umgebung einer Person. Wenn das Büro zum Beispiel örtlich von der Privatwohnung getrennt ist, kann diese räumliche Grenze Konflikte lindern.

Technische Werkzeuge wie Videokonferenzen und Chatdienste können solche Grenzen verschwimmen lassen. Werden die Grenzen zwischen den Lebensbereichen durchlässiger, werden Ressourcen der einen Rolle wieder für die andere genutzt und es kommt zu Konflikten. Während der Kinderbetreuung auf der Spielplatzbank Emails zu beantworten lässt die Grenzen verschwimmen und erhöht die Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben. In ihrer Befragung fanden die Wissenschaftler*innen heraus, dass das Verschwimmen der Grenzen alle drei Konfliktarten verschärft. Es verstärkt außerdem die Kündigungsabsichten der Beschäftigten.

Stark eingebunden, stärker belastet

Als weiteren Fokus betrachteten die Wissenschaftler*innen die Einbettung der Befragten in ihr Privat- und Arbeitsleben, also zu welchem Grad die Beschäftigten in die jeweilige Rolle eingebunden sind. Wer zum Beispiel stark in den Arbeitsplatz eingebettet ist, erlebt als positiven Effekt eine höhere Toleranz gegenüber negativen Ereignissen. Andererseits kann die Einbettung dazu führen, dass Beschäftigte das Gefühl haben, in negativen Arbeitssituationen festzustecken.

Unter den Befragten bildeten die Autor*innen der Studie drei Gruppen mit niedriger, mittlerer und hoher Einbettung. In ersterer Gruppe waren verstärkt Frauen mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren und ohne Kinder anzutreffen, während junge Männer mit jungen Kindern eher eine hohe Einbettung aufwiesen. Die Auswertung hat bestätigt, dass die Einbettung bestehende Effekte verstärkt, die die Konflikte befeuern. Im Ergebnis wird so die Arbeitserschöpfung begünstigt und die Verbundenheit zur Organisation geschwächt.

Schulungen zur Abgrenzung der Lebensbereiche

Für Unternehmen haben diese Erkenntnisse praktische Relevanz. Negative Veränderungen der Arbeitsergebnisse, wie sie die Konflikte zwischen Arbeitsplatz und Privatleben hervorrufen, beeinflussen den Erfolg der Organisation. Steigt beispielsweise die Kündigungsbereitschaft, droht ein Verlust an Wissen. Die Forscher*innen empfehlen daher, dass flexible Arbeitsszenarien die Einbindung der Arbeitnehmer*innen bedenken sollten.

Betriebliche Gegenmaßnahmen können nuanciert die zeitlichen, erschöpfungsbedingten und Verhaltenskonflikte adressieren. Um den Einfluss technischer Mittel auf die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben zu verringern und so mögliche Konflikte nicht weiter zu befeuern, empfehlen Dr. Christoph Weinert und seine Kollegen Schulungen. Diese „könnten dazu beitragen, die Fähigkeiten der Mitarbeiter im Hinblick auf ein effektives Management der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu verbessern.“

 

Publikation: Weinert, C., Maier, C., Laumer, S., & Weitzel, T. (2024). How Embeddedness Influences IT-Induced Work–Home Boundary Reduction, Work–Home Conflict, and Job Outcomes. Information & Management, 61(3), 103929. DOI: 10.1016/j.im.2024.103929