Walter Noddack
„Bahnbrecher der modernen Chemie“
Als einen „Forscher von Weltruf“ bezeichnete das Bamberger Volksblatt Prof. Dr. Walter Noddack am 9. Dezember 1960, zwei Tage nach seinem überraschenden Tod: Die wissenschaftlichen Arbeiten von ihm und seiner Frau Ida Noddack, die beide ab 1946 von Bamberg aus betrieben, prägten das Fach Chemie weit über die Landesgrenzen hinaus. Dank des Noddack-Hauses am Markusplatz 3 ist das Naturforscher-Ehepaar bis heute ein sichtbarer Teil der Universitätsgeschichte.
Walter Karl Friedrich Noddack wird am 17. August 1893 als einziges Kind des Steinmetzmeisters Oskar Noddack und dessen Ehefrau Anna in Berlin geboren. Nach einem Mathematik-, Chemie- und Physikstudium promoviert er 1921 an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema Neue Anwendungen des Einsteinschen photochemischen Äquivalentgesetzes. Seitdem gehören die Photo- und Biochemie zu seinen Forschungsschwerpunkten. Mit seiner späteren Ehefrau Ida Tacke entdeckt Noddack 1925 die chemischen Elemente Rhenium und Masurium.
Im März 1935 nimmt er eine ordentliche Professur an der Universität Freiburg an, 1942 wechselt er als Professur für physikalische Chemie an die unter deutscher Besatzung gegründete Reichsuniversität Straßburg. Dort wird Noddack außerdem Leiter des physikalisch-chemischen Instituts und errichtet überdies im Auftrag des Reichsamtes für Wirtschaftsbau ein Vierjahresplan-Institut für Photochemie, das er bis zu seiner Flucht aus Straßburg im Spätsommer 1944 leitet. Zu dieser Zeit beginnen die Kämpfe zwischen den Alliierten und der Wehrmacht um Elsass-Lothringen. Da er im Dienste der Nationalsozialisten stand, muss er sich nach dem Krieg einem Entnazifizierungsverfahren stellen. Noddack wird in diesem von allen Punkten freigesprochen und gilt als unbelastet.
Zum Wintersemester 1946/47 nimmt er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Bamberg zunächst vertretungsweise einen Lehrauftrag für Physikalische und Anorganische Chemie an. Später lehrt er als kommissarischer Vertreter der Professur für Chemie. Gleichzeitig ist Noddack auch als Gastdozent für Geochemie in Erlangen tätig. Unter ihm werden die naturwissenschaftlichen Fächer an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg rasch bundesweit bekannt. „Das naturwissenschaftliche Studium war unter dem Namen des Elementarentdeckers Prof. Dr. W. Noddack [...] seit 1946 zur Blüte gekommen“, schreibt der ehemalige Direktor der Philosophisch-Theologischen Hochschule, Prof. Dr. Dr. Othmar Heggelbacher, 1983 rückblickend.
Gemeinsam mit Ida errichtet Walter Noddack im Wasserschloss Concordia Bamberg, dem heutigen Sitz des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, das Geochemische Institut Bamberg. Für viele seiner Studierenden wird es ein Sprungbrett in die Wirtschaft. Firmen und Konzerne in der ganzen Region profitieren von den Forschungen des Ehepaars und den dort ausgebildeten Nachwuchskräften. Ab 1956 konzentriert sich Walter Noddacks Arbeit voll und ganz auf das Institut, das in diesem Jahr verstaatlicht wird und fortan unabhängig von der Philosophisch-Theologischen Hochschule als Staatliches Forschungsinstitut für Geochemie Bamberg existiert. Am 26. Juni 1957 erhält er dort die Stelle als Leiter auf Lebenszeit.
Im Institut entwickelt er mit Idas Hilfe seine größte Errungenschaft, von der Chemiker in der ganzen Welt noch heute profitieren: ein Verfahren zur Großtrennung der Seltenen Erden mit Hilfe von Ionen-Austauschern, das er Ende der 1950er-Jahre als erster Chemiker weltweit erfolgreich durchführen kann. Durch diesen Vorgang ist es seither möglich, aus Seltenen Erden reine Metalle zu gewinnen. Walter Noddack, dem die Bundesrepublik Deutschland für seine wissenschaftlichen Verdienste am 19. Oktober 1959 das Bundesverdienstkreuz verleiht, stirbt am 7. Dezember 1960 im Bamberger Krankenhaus unerwartet nach kurzer, schwerer Krankheit.
Walter und Ida Noddack prägen in der Nachkriegszeit die naturwissenschaftliche Forschung in Bamberg. Als einen „Bahnbrecher der modernen Chemie“ würdigte ihn der Fränkische Tag zwei Tage nach seinem Tod. Sein wissenschaftliches Erbe beruht jedoch nicht alleine auf der Spaltung der Seltenen Erden – auch große Fortschritte in der Biologie, wie etwa wichtige Erkenntnisse über die Assimilation von CO² oder über das menschliche Auge, sind bis heute Zeugnisse der Arbeit des Ehepaars Noddack. Ihr Bamberger Forschungsinstitut für Geochemie war lange Zeit ein Aushängeschild der chemischen Forschung in Europa und machte die Philosophisch-Theologische Hochschule über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Im Jahr 1989 wurde aus dem Forschungsinstitut für Geochemie Bamberg das dem Landesumweltministerium unterstellte Bayerische Geologische Landesamt, Außenstelle Bamberg. Dieses existiert bis 1993.
Heute erinnert das Noddack-Haus auf dem Marcusgelände an die Errungenschaften des Naturforscher-Ehepaars. Hier ist dem Vorbild der Namensgeber entsprechend die Professur für Didaktik der Naturwissenschaften mit ihren Laboratorien untergebracht.
Text: Sebastian Koch/Dezernat Kommunikation
Walter Noddack im Bamberger Professorinnen- und Professorenkatalog
Quellen:
Bamberger Volksblatt: „Prof. Dr. Walter Noddack verstorben“, 9. Dezember 1960.
Fränkischer Tag: „Dem Vater der Bamberger Chemiker“, 20. Oktober 1959.
Fränkischer Tag: „Er war ein Bahnbrecher der modernen Chemie“, 9. Dezember 1960.
Haus der Bayerischen Geschichte – Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst: Prof. Dr. Walter Karl Friedrich Noddack. In: Biografien aus Bayern (2016).
Universitätsarchiv Bamberg, Signatur V A 161.
Brigitte Van Tiggelen; Annette Lykknes: Ida and Walter Noddack through better and worse: an Arbeitsgemeinschaft in Chemistry. For better or for worse? Collaborative Couples in the Sciences. In: Science Networks, Historical Studies 44 (2012), S. 103–147.