Wo sind nur die Toten geblieben? – Prähistorische Bestattungen auf der Nördlichen Frankenalb
(Förderung durch Oberfrankenstiftung und die Universität Bamberg 2024–2026 unter Beteiligung der Sparkasse Coburg-Lichtenfels und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern)
In den letzten gut 20 Jahren gelang es uns, im Rahmen etlicher Forschungsprojekte und durch stetige Förderung von Oberfrankenstiftung, Deutscher Forschungsgemeinschaft, Universität Bamberg und anderen Geldgebern enorme Fortschritte zum Verständnis der Ur- und Frühgeschichte Oberfrankens (insbesondere auf der Frankenalb) zu machen. Nach spät- bis endneolithischen Siedlungen im Bereich von Felsformationen (2001–2006), rituellen Plätzen (2008–2010), frühneolithischen Siedlungen (2014–2015 und 2018), bronze- und eisenzeitlicher ländlicher Besiedlung und Landnutzung (2016–2018 sowie 2020–2022) waren bzw. sind zuletzt die diachron genutzten Schachthöhlen Forschungsziel (2022–2024). Durch die breit gefächerten Thematiken und die chronologische Tiefe zeichnet sich bereits nach zwei Dekaden konsequenter Forschung ein deutlicher Mehrwert ab, da viele Erkenntnisse aus den einzelnen Projekten sich nach und nach zu einem komplexeren Bild prähistorischer Gesellschaften zusammenfügen. Somit könnte in Zukunft bei Beihalten dieser konsequenten, regionalen Forschungsstrategie die Nördliche Frankenalb als am intensivsten prähistorisch erforschte Mittelgebirgsregion Mitteleuropas einen Modellcharakter einnehmen.
Im laufenden Projekt widmen wir uns prähistorischen Bestattungen auf der Nördlichen Frankenalb, welche, abgesehen von eisenzeitlichen Hügelgräbern der Hallstattkultur in nahezu allen Epochen ein absolutes Forschungsdesiderat in der Region darstellen. Sie bilden jedoch eine enorm wichtige Quelle zum Verstehen ur- und frühgeschichtlicher Gesellschaften, zeigen sie doch im Gegensatz zu Siedlungen viel deutlichere Hinweise zu rituellen Glaubensvorstellungen und durch typologisch besser zuweisbare Beigaben die kulturelle Prägung der Bestattungsgemeinschaften. In heutigen Waldgebieten sind etliche Hügelgräberfriedhöfe vorhanden, welche vermutlich überwiegend eisenzeitliche, aber auch ältere Bestattungen bergen. Die Masse dieser Plätze ist zum einen antik durch Laienforscher (z.B. Pfarrer Lukas Hermann) „untersucht“ worden, welche die Funde meist an Museen in ganz Deutschland verkauften. Zudem waren eisenzeitliche Grabhügelbestattungen Thema von zahlreichen Rettungsgrabungen der 1970er bis 2000er Jahre, z.T. geleitet von Björn-Uwe Abels und Ermelinda Spoletschnik. Die typische Bestattungssitte der Hallstattzeit ist somit durch diese Untersuchungen in Oberfranken sehr gut bekannt. Urnenfelderzeitliche Bestattungen sind ebenfalls durch Grabungen, z.B. bei Grundfeld oder Kasendorf erfasst worden, stammen in diesen Fällen aber aus dem Albvorland. Abgesehen von den Laienforschungen, welche so gut wie keine brauchbaren Dokumentationen hinterließen, deren Fundmaterial in vielen Fällen verschollen oder kaum noch zuweisbar ist und auch meist keine Skelettreste mehr vorliegen, kennen wir auch früh- und mittelbronzezeitliche Bestattungen in unserer Region nicht. Für die Jungsteinzeit wären insbesondere im Frühneolithikum bandkeramische Hockergräber, im Mittelneolithikum gestreckter Körpergräber, im Spätneolithikum Totenhütten mit Kollektivbestattungen und im Endneolithikum wieder Hockerbestattungen der Schnurkeramik und Glockenbecherkultur zu erwarten. Lediglich für die Schnurkeramik lassen sich die 1932 geborgene Bestattung aus Azendorf-Neudorf und das 1973 untersuchte Grab von Kümmersreuth anführen. Aus der frühen Latènezeit sind wenige Bestattungen (z.B. Drosendorf a.d. Aufsess) modern untersucht, aber auch hier ist unser Kenntnisstand sehr gering. Insgesamt ist der Forschungsstand zum Bestattungsbrauchtum auf der Nördlichen Frankenalb demnach als desolat zu bezeichnen. Interessant neben der Entschlüsselung typischer Bestattungssitten ist zudem noch der Vergleich mit Totenriten in Schachthöhlen und an auffälligen Felsformationen. Hier sind neue Erkenntnisse zu Glaubensvorstellungen, kulturellen Unterschieden und anderen Aspekten der prähistorischen Totenbehandlung zu erwarten.
Erfahrungsgemäß wurden die gut bekannten eisenzeitlichen Grabhügelfriedhöfe in Arealen angelegt, welche schon zuvor als Bestattungsplätze gedient haben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass schon ab dem Endneolithikum und dann auch wieder in der Mittelbronzezeit die Grabhügelsitte charakteristisch war. Die Monumente waren, wenn nicht von Erosion betroffen, vermutlich über Jahrhunderte lang sichtbar und so wurden schon bekannte Bestattungsplätze einfach weiter genutzt, z.T. wurde sogar in bestehenden Gräbern nachbestattet oder neue Bestattungen zwischen den bestehenden Gräbern angelegt. Es ist also davon auszugehen, dass im Bereich der eisenzeitlichen Grabhügelfriedhöfe auch Bestattungen anderer Epochen existieren.
Methodisch gehen wir wie folgt vor:
Zahlreiche, heute noch in Waldgebieten vorhandene Grabhügelplätze grenzen an Ackerflächen. Mittels moderner, geophysikalischer Prospektionsverfahren wie Magnetik und Elektrische Widerstandsmessung erscheint es sehr gut möglich, Bestattungen zu lokalisieren. Insbesondere das letztgenannte Verfahren reagiert sehr sensibel auf leichte Unterschiede im Bodensubstrat, was in einem Projekt zur Siedlungs- und Landschaftsgeschichte im Raum Weismain in der Gemarkung Weiden erfolgreich getestet werden konnte. Hier erbrachten zahlreiche in 1m-Messabstand angelegte Elektrikprofile und die Invertierung mittels der Software Res3DINV eine Art 2,5D-Tomographie des Untergrunds, welche im Fall von Weiden große Grubenstrukturen detektieren konnte. Diese waren weder eindeutig im geputzten Planum noch in der Magnetik erkennbar. Weiterhin haben wir bereits am Rand eines mutmaßlichen, stark zerstörten Grabhügelfelds südlich der lange genutzten Siedlungsstelle am Görauer Anger Magnetikmessungen durchgeführt, welche Strukturen erbrachten, die Bestattungen darstellen könnten. Es gilt nun an mehreren solcher Plätze zu prüfen, ob sich (ausgehend von den bestehenden Grabstukturen in den Wald- oder Strauchgebieten) auch Bestattungen im benachbarten Acker- bzw Wiesenland mittels Geophysik nachweisen lassen. Dazu werden wir sowohl geophysikalische Prospektionen an bestehenden Monumenten im Wald als auch in den benachbarten Ackerflächen vornehmen, um einen guten Vergleich ziehen zu können.
Ziel ist es, einerseits diese Art der geophysikalische Detektion prähistorischer Bestattungen als Methode so zu optimieren, dass sie sowohl für Denkmalpflege als auch für Forschung einen enormen Vorteil darstellt. Andererseits möchten wir bereits im Rahmen dieses Projekts neue Erkenntnisse hinsichtlich des Bestattungsbrauchtums prähistorischer Epochen gewinnen, welche bislang nicht im Fokus (wie z.B. die Hallstattzeit) standen. Hierzu sind kleinere Grabungen von, durch die geophysikalischen Prospektionsverfahren sichtbar gemachten, potenziellen Grabbefunden geplant. Somit sind auch Kosten für Altersdatierungen, anthropologische Analysen etc. einkalkuliert.
Neben den Bestattungsplätzen am Görauer Anger wollen wir uns auf einige weitere Plätze nahe Welschenkahl, Bojendorf und Siegritz konzentrieren. An allen Plätzen sollen zunächst intensive geophysikalische Prospektionen (Magnetik, Geoelektrik) erfolgen, daraufhin bei potenziellen Befundstrukturen Testgrabungen.
Die Geländearbeiten sollen mit Studierenden im Rahmen von Geländepraktika stattfinden und vom 01.10.2024 bis zum 30.04.2026 dauern. Daran schleißt sich eine halbjährige Auswertung an. Die Ergebnisse werden im Rahmen von öffentlichen Vorträgen (z.B. Colloquium Historicum Wirsbergense) vorgestellt, zudem in Fachtagungen und Fachaufsätzen.