Die prähistorische Nutzung von Schachthöhlen auf der Nördlichen Frankenalb

(Förderung durch Oberfrankenstiftung 2022–2024)

Von ur- bzw. frühgeschichtlichen Menschen genutzte Schachthöhlen auf der Fränkischen Alb lassen sich als durchaus häufige Denkmalgattung dieser von Verkarstung geprägten Landschaft bezeichnen. Jedoch gelang es noch in keinem Fall der bisherigen Forschungsgeschichte, die genaue Entstehung der zahlreich menschliche und tierische Knochen enthaltenden Einfüllschichten zu rekonstruieren und somit die Hintergründe dieser rituellen Deponierungsaktivitäten nachvollziehbar zu deuten. Die durch Mitglieder der Forschungsgruppe Fränkischer Karst e.V. im Jahr 2010  entdeckten Schachthöhlen Kirschbaumhöhle und Sonnenschacht boten nun die ideale Möglichkeit, mit neuer Dokumentationsmethodik und interdisziplinärem Forschungsansatz die Rekonstruktion prähistorischer Deponierungsvorgänge zu ermöglichen und somit auch deren Motiven näher zu kommen. Dies ist vor allem den Entdeckern zu verdanken, welche jeden Knochen an Ort und Stelle beließen und umgehend das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege informierten. Die ersten Untersuchungen in der Kirschbaumhöhle konnten im Jahr 2013 mittels eines Forschungsprojektes der Professur für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bamberg realisiert werden, welches maßgeblich von der Oberfrankenstiftung und dem Landkreis Forchheim sowie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, der Gesellschaft für Archäologie in Bayern und der Universität Bamberg finanziert wurde.

Nach diesem Pilotprojekt ließen sich für die Kirschbaumhöhle anhand menschlicher und tierischer Überreste Deponierungsaktivitäten im Jung- und Endneolithikum, in der Frühbronzezeit und in der mittleren Eisenzeit belegen. Zum damaligen Stand konnte man von mindestens zwölf menschlichen Individuen auszugehen, von denen zwei ins Endneolithikum, sieben in die Frühbronzezeit und drei in die Späthallstatt-/Frühlatènezeit datieren. An Tieren waren mehrere Rinder unterschiedlicher Altersstufen, mindestens zwei Hunde, zwei Rothirsche, zwei Schafe, ein Schwein, eine Wildkatze und ein Feldhase nachweisbar. Allerdings wurden im ersten Vorprojekt lediglich die obertägig sichtbaren Knochenfunde mit der exakten Lage via 3D-Scanning erfasst und analysiert. Somit erfassten wir zu diesem Zeitpunkt nur einen geringen Prozentteil des gesamten Höhleninventars. Bereits da zeichnete sich allerdings durch die Fundverteilungsanalyse Konzentrationen ab, welche eine Rekonstruktion einzelner Individuen und deren Lage in der Höhle ermöglichen könnten. Die Erhaltung alter DNA ist herausragend und sowohl Menschen- als auch Tierknochen sind bereits Bestandteil unterschiedlicher molekulargenetischer abgeschlossener und laufender Projektstudien (u.a. Palaeogenetik-Labor Mainz, Veeramah Lab Stony Brook University New York, Trinity College Dublin).

Seit 2021 werden in einem DFG-Projekt (https://hoehlenfunde.hypotheses.org/) exemplarisch Funde (menschliche Knochen und andere Artefakte) aus einigen altgegrabenen Höhlen aufgearbeitet, wobei vor allem auch neue Altersdatierungen, Isotopenanalysen und molekulargenetische Analysen integriert sind. Sie sollen als wichtige Vorarbeit und Vergleichsstudie für die kommenden Ausgrabungen und Projekte in den neu entdeckten Schachthöhlen dienen.

Neue Voruntersuchungen in der Kirschbaumhöhle sowie drei anderen in den letzten 15 Jahren entdeckten Schachthöhlen (Sonnenschacht, Bussardhöhle und Mauslochhöhle) waren von 2022–2024 Gegenstand eines weiteren von der Oberfrankenstiftung geförderten Forschungsprojekts. Sie lieferten neue Informationen zur zeitlichen Einordnung der Nutzungshorizonte und bereiteten so ein geplantes, mehrjähriges DFG-Projekt vor. Allein in der Kirschbaumhöhle hat sich die Mindestindividuenanzahl durch kleinräumige Sondagen in unterschiedlichen Teilen der Höhle verdoppelt. In der erst 2021 entdeckten Mauslochhöhle konnten neben dem Nachweis eines jungneolithischen Individuums Reste mehrerer frühbronzezeitlicher Menschen, darunter die vermutlich erste anthropogene Niederlegung eines Mannes in Hockstellung dokumentiert werden. Im Rahmen eines beantragten, zweistufig konzipierten DFG-Projekts (erste Projektphase 2026–2029) soll die vollständige Ausgrabung der Kirschbaumhöhle stattfinden. Danach, also folgend auf die zweite Projektphase (vermutlich 2031­–2033) ist beabsichtigt, eine Forschergruppe zu etablieren, welche eine umfassende Analyse des direkten und erweiterten Höhlenumfelds sowie die Untersuchung benachbarter Schachthöhlen fokussiert.

Bisherige Publikationen zum Projekt (Vorarbeiten und Pilotprojekt):

Seregély 2014
Human and animal remains from three eras. New documentation methods of a vertical cave of the Northern Franconian low mountain range and its inventory. The European Archaeologist 41, 2014, 17–19. http://e-a-a.org/TEA/TEA41.pdf

Seregély 2014
Pilotprojekt Kirschbaumhöhle: neue Erfassungsmethodik in einer Schachthöhle der Nördlichen Frankenalb. In: Das Archäologische Jahr in Bayern 2013 (Darmstadt 2014) 42–45.

Seregély u.a. 2015
T. Seregély/P. Burgdorf/G. Gresik/M.S. Müller/A. Wilk, „Tote Menschen und Tiere in finsteren Felsschächten …“ – neue Dokumentationsmethodik und erste Untersuchungsergebnisse zur Kirschbaumhöhle in Oberfranken. Praehistorische Zeitschrift 90, 2015, 214–244. https://doi.org/10.1515/pz-2015-0010

Botigué u.a. 2017
L.R. Botigué/S. Song/A. Scheu/S. Gopalan/A.L. Pendleton/M. Oetjens/A.M. Taravella/T. Seregély/A. Zeeb-Lanz/ R.-M. Arbogast/D. Bobo/K. Daly/M. Unterländer/J. Burger/J.M. Kidd/K.R. Veeramah, Ancient European Dog Genomes reveal Continuity since the Early Neolithic. Nature Communications 8, 16082 (2017). https://doi.org/10.1038/ncomms16082