„Gewinne sind wichtig für die Innovationskraft von Social Start-ups!“
Wie passen gesellschaftlicher Mehrwert und unternehmerisches Handeln zusammen? Ist es richtig, im Wettbewerb um die Lösung sozialer und ökologischer Herausforderungen zu stehen? Darf man mit einem Social Business überhaupt Geld verdienen? Diese und weitere Fragen diskutierten Sarah Dahnen (BIG), Dr. Nicholas Derra (BF/M Bayreuth) und Lena Helldörfer (LAGARDE1) am 28. Oktober 2021 mit Gästen aus Wissenschaft und Gründerökosystem im Rahmen einer virtuellen Abendveranstaltung zum Thema Social Entrepreneurship.
Die Themen Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung rücken aktuell verstärkt in das Bewusstsein vieler etablierter Unternehmen. Dass indes nicht alle ihre Bemühungen in die richtige Richtung gehen, zeigen zahlreiche Mediendiskussionen über Greenwashing. Soziale, gemeinwohlorientierte Gründungen versuchen angesichts dessen bewusst, neue Wege zu gehen und Nachhaltigkeit, Umwelt und Gemeinwohlorientierung nicht nur als „Beiwerk“ zu verkaufen, sondern mit ihren Unternehmen einen spezifischen Missstand auch tatsächlich aufzulösen oder zu verbessern.
Das ist auch das große Ziel der beiden Social Start-ups KurkuMama und u r n f o l d, die ihre Projekte zu Beginn der Veranstaltung vorstellten. So möchte Nelly Rahimy, Gründerin von KurkuMama, mit ihrem Start-up ab 2022 Instant-Getränkepulver für einen Kurkuma-Latte vertreiben und zugleich durch die Zusammenarbeit mit einer von Frauen für Frauen gegründeten Landwirtschaftskooperative in Costa Rica das Empowerment von Frauen in ländlichen Regionen Costa Ricas fördern. Die Frauen werden u.a. in die komplette Wertschöpfungskette eingebunden und können von gezielten Weiterbildungsmaßnahmen profitieren.
Kristina Steinhauf und Katharina Scheidig, die Gründerinnen von u r n f o l d, setzen dagegen auf ganz andere, lokale Veränderungen im Umgang mit dem Tabuthema Tod: „Wir möchten mit unserer nachhaltigen und individuell gestaltbaren Urne aus Papier einen Wandel hin zu einer neuen und persönlicheren Bestattungs- und Trauerkultur befördern, die Wert auf Nachhaltigkeit und zeitgemäße Ästhetik legt“, erläutert Kristina Steinhauf.
„Wir brauchen solche Initiativen!“ findet Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Universität Bamberg und Gründungsmitglied des Zukunftsrats der Stadt Bamberg. „Junge Menschen möchten heute durch ihre Arbeit etwas bewegen und einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Daher sind Start-ups wie KurkuMama oder u r n f o l d so beliebt bei jungen Arbeitnehmer*innen.“ Er wünsche sich mehr Würdigung von Social Businesses in der Gesellschaft, schließlich gebe es auch in Deutschland viele großartige Initiativen, die aber leider kaum jemand kennen würde.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde auch das Thema Unternehmensnachfolge und der Verkauf bzw. die Finanzierung von Social Businesses durch größere, ggf. sogar börsendotierte Unternehmen angesprochen: „Durch den gesamten oder anteiligen Verkauf eines Social Businesses kann der Impact [ = die Wirkung] des Unternehmens deutlich steigen. Größere Unternehmen haben oftmals mehr Ressourcen zur Verfügung, wodurch das Unternehmen wachsen kann“, so Frau Prof. Jakob, Juniorprofessorin für Social Entrepreneurship an der Universität Bayreuth. Man solle aber immer genau darauf achten, wen man sich mit ins Boot hole: „Die Werte sollten zu den eigenen Werten passen. Auch kann man schauen, wie es anderen Social Businesses ergangen ist, die bereits mit dem Unternehmen kooperieren bzw. an dieses verkauft haben. Ist der Impact gewachsen?“ Die Professorin empfiehlt Start-ups, sich schon früh mit dem Thema Unternehmensnachfolge zu befassen: „Es ist wichtig zu wissen, wofür man steht: Was sind meine Werte? Was möchte ich erreichen? Um dann zu schauen, wem man sein „Baby“ vielleicht mal anvertrauen würde“.
Start-ups wie KurkuMama oder u r n f o l d, die noch ganz am Anfang stehen, haben aber noch andere, drängendere Herausforderungen zu bewältigen. So müssen sie überlegen, wie sie ihr Vorhaben finanzieren und Gewinn erwirtschaften können. Zu der kritischen Frage, ob Social Entrepreneurship und Geldverdienen im Widerspruch zueinander stünden, hat Prof. Carbon eine klare Meinung: „Ein gutes Gehalt ist nichts Anrüchiges. Gewinne sind wichtig, um die Innovationskraft des Unternehmens zu erhalten. Das Problem dabei ist nur, dass das Geld in Unternehmen oft in wenigen Händen liegt, die auch oft die Innovationskraft nicht steigern. Das ist natürlich nicht nachhaltig. Das Geld in der Firma kann aber bei richtiger Lenkung, z.B. in Krisenzeiten wie aktuell, zur Unterstützung des regionalen Ökosystems oder zur Entlastung der Mitarbeiter*innen genutzt werden.“ Die Gründerinnen von KurkuMama und u r n f o l d möchten so auch beides erreichen: mit zukünftigen Gewinnen ihr Unternehmen ausbauen und ihren Lebensunterhalt davon bestreiten können: „Unsere Idee und das, was wir mit ihr bewirken wollen, steht bei uns klar im Fokus. Aber natürlich haben auch wir Rechnungen zu bezahlen. Wir möchten unser Angebot ausweiten, lokale Dienstleister*innen unterstützen und auch langfristig gut von unserem Unternehmen leben können“, sagt Katharina Scheidig von u r n f o l d.
Ein weiteres wichtiges Thema der Podiumsdiskussion: Wettbewerber im Social Entrepreneurship. Diese haben hier einen anderen Stellenwert als in regulären Unternehmen. Frau Prof. Jakob: „Man sieht häufig eher ein Miteinander als ein Gegeneinander: Viele Social Businesses treten als Partner auf, um den Impact zu vergrößern und gesellschaftliche Sensibilisierung voranzubringen“. Auch Nelly Rahimy, Gründerin KurkuMama, kann sich gut vorstellen, zukünftig mit anderen nachhaltigen Food-Start-ups zusammenzuarbeiten: „Gemeinsam kann man Ziele immer besser erreichen. Wenn es ein Unternehmen geben würde, das in einem ähnlichen Bereich arbeitet, würden wir gern mit ihm zusammenarbeiten.“ Vielleicht können KurkuMama und u r n f o l d in den nächsten Jahren die ein oder andere Kooperation aufbauen, um ihren Zielen näher zu kommen – wir bleiben dran!
Das Event stieß bei den Teilnehmer*innen auf sehr positive Resonanz. Besonders gelobt wurden die tollen Ideen der Start-ups und die spannende Diskussion, die interessante wissenschaftliche Hintergründe aufbot. Auch dass sich soziales Engagement und unternehmerisches Handeln nicht ausschließen würden, wurde als wertvolles Learning empfunden. „Es freut mich, dass auf diese Weise das Thema "Gründen" wieder attraktiver wird und dass man auch als Gründer eines Social Startups Geld verdienen kann, ohne sich schlecht fühlen zu müssen“ resümierte ein Teilnehmer in der abschließenden Feedbackrunde.