Roboter erobern die Welt?! Individual- und sozialethische Analysen

Transdisziplinäres Forschungskolloquium

Informationen zum Forschungskolloquium

Im Alltag sind Roboter mittlerweile selbstverständlich geworden. Egal ob Zuhause oder am Arbeitsplatz: Roboter mähen den Rasen, ‚stehen‘ am Fließband, assistieren im Operationssaal und übernehmen Dienste in der Pflege. Trotz einer Vielzahl von Mensch-Roboter-Interaktionen steht diese Entwicklung sowohl technisch, wie auch gesellschaftlich noch am Anfang. In diesem Kontext stellen sich bisher weitreichende Probleme, die aus verschiedenen Fachperspektiven bearbeitet werden müssen.

Methode/Forschungsdesign

Das Forschungskolloqium soll Ausgangspunkt für einen transdisziplinären Austausch zum Themenbereich Roboterethik sein. Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachdisziplinen wie Medi­zintechnik, Philosophie, Rechtswissenschaft, Psychologie und Theologie werden sich mit folgenden zentralen Fragen auseinandersetzen: Wo liegen Chancen, Risiken und Grenzen des Einsatzes von Robotern? Welche normativen, v.a. sozialethischen Konsequenzen erge­ben sich aus einer zunehmenden Mensch-Roboter-Interaktion? Und können Roboter moralisch Handeln?

Vorträge

  • Dr. Dr. Jens Kirchner, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Was heißt Intelligenz bei KI? Versuch eines Überblicks
  • Christina Potschka, Otto-Friedrich-Universität Bamberg: Soziale Roboter – Von der Schizophrenie menschlicher Wahrnehmung und den moralischen Fähigkeiten künstlicher Intelligenz.
  • Leonie Seng, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg: Zur Ambivalenz der Technik. Philosophisch-ethische Überlegungen zur Macht von Maschinen und den Möglichkeiten menschlichen Handelns
  • Nicolas Woltmann, Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Rechtliche Risiken beim Einsatz von Robotern und KI – Brauchen wir ein neues Haftungsrecht?

Kolloquiumsbericht

Am 18. Mai fand das transdisziplinäre Forschungskolloquium zum Thema Roboter erobern die Welt?! Individual- und sozialethische Analysen an der Universität Bamberg statt.

Prof. Dr. Thomas Weißer (Laubach),  Inhaber des Lehrstuhls für Theologische Ethik, begrüßte die 26 Teilnehmenden ganz herzlich und eröffnete das transdisziplinäre Forschungskolloquium mit einer kurzen thematischen Einführung.

Der Physiker Dr. Dr. Jens Kirchner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen näherte sich dem Forschungskolloquiums-Thema aus medizintechnischer Sicht mit seinem Vortrag „Was heißt Intelligenz bei KI? Versuch eines Überblicks“. Ereröffnete seinen Vortrag mit der Differenzierung des – ja bereits in den Humanwissenschaften uneindeutigen Begriffs Intelligenz – in Bezug auf Algorithmen: Nur selbstlernende Systeme könnten demnach als intelligent bezeichnet werden. Bezüglich dieses maschinellen Lernens wird jedoch zwischen überwachtem, unüberwachtem und verstärkendem Lernen unterschieden, wobei jedoch die Entscheidung, welche Art des Lernens angewandt wird, nicht vom Algorithmus selbst getroffen werden kann, sondern vom Programmierer – ebenso wie die zur Verarbeitung bestimmten dringend benötigten Daten – intendiert werden muss. So kam Kirchner zum Entschluss, dass ein Algorithmus einem Menschen in sehr speziellen Fällen – wie bereits vielfach geschehen – überlegen sein kann, jedoch keine Metaebene in Bezug auf sein eigenes Lernen einnehmen kann. Somit fehlt der KI die Abstraktionsleistung um jenseits ihres zugewiesenen Aufgabengebietes autonom genannt werden zu können. 

Der zweite Vortrag mit dem Titel „Soziale Roboter – Von der Schizophrenie menschlicher Wahrnehmung und den moralischen Fähigkeiten künstlicher Intelligenz“ ermöglichte einen psychologisch-ethischen Einblick.Frau Potschka (Bamberg) demonstrierte zu Beginn Ihres Vortrages anhand verschiedener Videosequenzen von sozialen Robotern sowie Studien, wie Widersprüchlich - nahezu Schizophren - die menschliche Wahrnehmung bezüglich Robotern ist. Auf der einen Seite finden Menschen humanoide Roboter sympathisch. Auf der anderen Seite werden Roboter, die uns zu ähnlich werden, plötzlich unheimlich und fallen in das sogenannte „Uncanny Vally“. Laut verschiedenen Studien kann dieses „Uncanny Vally“ überwunden werden, wenn Roboter nicht nur „menschenähnlich“, sondern „menschengleich“ werden. Aber was heißt das in Bezug auf moralisches Handeln. Welche „menschenähnlichen“ bzw. „menschengleichen“ moralischen Fähigkeiten besitzen Roboter? Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können versuchte Frau Potschka zunächst einen Überblick über menschliches moralisches Handeln zu geben, um anschließend zu überprüfen, welche moralischen Fähigkeiten Roboter besitzen. Sie kam zu dem Schluss, dass Roboter bedingt moralfähig sind. Robotern ist es durchaus möglich, moralisch richtig zu handeln, im Sinne von Regeln, Normen und Gesetze zu befolgen. Moralisch gute Handlungen hingegen implizieren Kompetenzen auf einer Metaebene die u. a. eine Wahrnehmungskompetenz, moralische Sprachkompetenz, Intentionalität, Normative-Kompetenz und eine Abwäge-Kompetenz benötigen, die Roboter kaum oder noch gar nicht besitzen.

Frau Seng (Ludwigsburg) zeigte mit Ihrem Vortrag „Zur Ambivalenz der Technik. Philosophisch-ethische Überlegungen zur Macht von Maschinen und den Möglichkeiten menschlichen Handelns“ eine philosophisch-ethische Perspektive auf das Thema Roboterethik.Sie veranschaulichte durch eine kurze Darstellung der Geschichte der Technik, dass technische Entwicklungen niemals ohne Kontext bewertet werden können, sondern stets sowohl Vorteile, als auch Risiken für den Menschen mit sich bringen, die nicht voneinander getrennt werden können. In einem Gedankenexperiment unterschied Seng zwischen Maschinen, die tatsächlich frei vom Menschen einen autonomen Willen ausbilden und verfolgen und solchen, die nur scheinbar einem eigenen Willen – tatsächlich aber der Programmierung eines Menschen folgen. Wenn Maschinen tatsächlich autonom seien, erfordere es eines neuen philosophischen Denkansatzes, der die Maschine selbst als Akteur in den Blick nimmt. Wenn jedoch Maschinen lediglich erweiterte und kompliziertere Werkzeuge des Menschen darstellen, so Seng, lägen alle zur philosophischen Einschätzung notwendigen Denkstrukturen bereits in der Geschichte der anthropozentrischen Philosophie und müssten lediglich zur Anwendung gebracht werden. 

Zuletzt zeigte Herr Woltmann (Europajurist aus Würzburg) mit seinem Vortrag „Rechtliche Risiken beim Einsatz von Robotern und KI – Brauchen wir ein neues Haftungsrecht?“ rechtliche Möglichkeiten zum Umgang mit KI auf. Zum Beginn seines Vortrags erläuterte er die aktuelle europäische Rechtslage, nach welcher autonomen Systemen ein eigener Handlungs- und Entscheidungsspielraum zugesprochen wird. Sie können folglich aus dem Blickwinkel des Rechts unabhängig vom menschlichen Input sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellt das Roboterrecht den Mittelpunkt vielfacher juristischer Diskussionen dar und fördert eine Unzahl an möglichen Lösungsvorschlägen; Exemplarisch stellte Woltmann drei prominente Vorschläge für das zukünftige Recht vor: Die Gefährdungshaftung, die Haftung der Maschine (E-Person) und das erlaubte Recht. Unter der Gefährdungshaftung wird die vollständige und absolute Haftung der das selbstlernende System betreibenden Menschen verstanden. Nach der Gefährdungshaftung wäre folglich Hersteller/Betreiber in jedem Fall haftbar für jedweden Schaden, der durch ein autonomes System verursacht wird. Bei der Idee der Haftung der Maschine wird zunächst dem selbstlernenden System mithilfe einer E-Person ein juristischer Status verliehen, der dem von juristischen Personen, mithilfe welcher Unternehmen vor Gericht auftreten können, nachempfunden ist. Beim Vorschlag des erlaubten Rechts wird vorgesehen, dass vor Inbetriebnahme eines autonomen Systems alle möglichen Chancen gegen alle möglichen Risiken abgewogen und bewertet werden müssen. Erst wenn ebendiese Gleichung als gut genug empfunden wird, darf der Algorithmus zur Verwendung gebracht werden, wobei in diesem Falle dann alle möglicherweise verursachten Schäden ungesühnt blieben und nicht kompensiert werden könnten.

Zum Abschluss der Veranstaltungen bekräftigten alle Forschungskolloquiums-Teilnehmenden die Bedeutsamkeit eines transdisziplinären Austauschs. Erst der transdisziplinäre Austausch ermöglicht es, das zukunftsträchtige Thema „künstlich intelligente Maschinen“ ganzheitlich mit all seinen Chancen und Risiken zu erfassen sowie ganzheitlich zu thematisieren.

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