Die junge Dame bestätigt Olaf Strucks These: Flexibilität braucht eine solide Basis (Foto: melodi2_stockxchng).
Flexibilität vs. Stabilität
Die Welt um uns herum verändert sich ständig und so müssen wir auf die jeweilige Situation schnell und flexibel reagieren können. „Das kann unter Umständen zu Überforderung führen“, betonte Olaf Struck in seiner Antrittsvorlesung und zeigte Wege auf, mit Flexibilitätsanforderungen richtig umzugehen.
„Auf unsicherem Grund sind unsere Schritte klein und zaghaft. Nur eine sichere Basis gewährt flexible Handlungsoptionen und ermöglicht mutige und weite Sprünge.“ Mit dieser Allegorie eröffnete Olaf Struck, Inhaber der Professur für Arbeitswissenschaft, seine Antrittsvorlesung am 28. April zum Thema „Flexibilität als Problem“.
Der Erfolg des kapitalistischen Wirtschaftssystems, so Struck, sei auf ständige Innovationen angewiesen, um Profitmaximierung zu ermöglichen und die Wettbewerbssituation zu verbessern. Damit werde eine räumliche, zeitliche und qualifikatorische Anpassungsfähigkeit von Individuen, Organisationen und gesellschaftlichen Institutionen gefordert. Betrachtet man die Flexibilität nicht nur als ein schnell abrufbares Leistungsvermögen, sondern als eine Relation zwischen diesen Akteuren, so merkt man: Flexibilität erzeugt Flexibilität. Veränderte Marktsituationen fordern von Unternehmen flexible Handlungsstrategien und diese erwarten Anpassungsbereitschaft von ihren Mitarbeitern und deren Familienmitgliedern. Flexibilitätsketten entstehen.
Gesunde Flexibilität benötigt Sicherheiten
Zwar gilt Flexibilität in modernen Gesellschaften als Patentrezept, unproblematisch ist diese Sichtweise allerdings nicht: Damit Menschen flexibel auf immer neue Anforderungen in der Gesellschaft reagieren können, benötigen sie eine solide Basis, insbesondere in Form von Qualifikationen und Einkommenssicherheit. Andernfalls erzeugt Flexibilität immer neue Flexibilitätsanforderungen, die bei Menschen zu Überforderungen und bei der Erstellung von Gütern und dem Angebot von Dienstleistungen zu Qualitätsverlusten führen. Diese solide Basis besteht aus Sicherheiten die Statik vermeidet. Für den Arbeitsmarkt gilt dann: Nicht betriebliche Beschäftigungssicherheit, sondern Qualifizierungs- und Motivationsanreize bieten zugleich Sicherheit und Flexibilität.
Vergleichbar sind Sicherheiten im Sozialstaatssystem zu gestalten. Dieses ist in Deutschland immer noch stark an kontinuierliche Lohnarbeit gekoppelt und somit wird jede Nichterwerbsphase zu einem Risiko. „Dabei sind soziale Sicherungssysteme im Grundsatz durchaus in der Lage, innovatives Verhalten zu stärken“, argumentierte Olaf Struck. Dazu müsste der Staat das Einkommensrisiko nicht nur bei Arbeitslosigkeit, sondern auch bei kritischen Übergängen, wie der in einen zweiten oder dritten Bildungsweg, zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung oder bei Kombination zwischen Arbeit und Bildung, absichern. Diese Weiterentwicklung würde die Flexibilität und Weiterbildungsbereitschaft steigern, die Motivation und das innovative Verhalten stärken und ist auf der Basis der bereits bestehenden Transferleistungen durchaus in die Realität umsetzbar.
Am Schnittpunkt zwischen Ökonomie und Soziologie
Am Ende seines Vortrags verwies Olaf Struck auf die noch vor ihm liegende Arbeit: Empirisch und theoretisch sollen die spannungsgeladenen Relationen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Handlungsfeldern weiter analysiert und der Fokus auf die Forschungsbereiche Bildung, Arbeit und Wirtschaft gelegt werden. „Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Soziologie, sondern auch für die Betriebswirtschaftslehre von Bedeutung“, erklärte Prof. Dr. Thomas Gehring, Dekan der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, und positionierte die Professur für Arbeitswissenschaft „im Schnittpunkt dieser klassischen Fächer“.
Der Werdegang des neuen Professors
Olaf Struck ist 1964 in Bremen geboren, studierte an der dortigen Universität Soziologie mit Jura im Nebenfach und promovierte 1993. 2005 beendete er seine Habilitationsschrift mit dem Titel „Flexibilität und Sicherheit“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, um anschließend als Vertretungsprofessor für Soziologie an den Universitäten in Göttingen und Halle-Wittenberg zu lehren. Seit 2009 ist Olaf Struck Inhaber der Professur für Arbeitswissenschaft am Institut für Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Außerdem ist er Mitarbeiter beim Nationalen Bildungspanel. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf den Bereichen Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Sozialstrukturanalyse und Sozialpolitik, Lebenslauf und Generationenforschung. Begleitend zu seiner akademischen Karriere ist er als Gutachter für Fachzeitschriften und Forschungsinstitutionen und als Berater in der Politik und Wirtschaft tätig.