"Sozialpolitik" im Werk Max Webers: Rekonstruktion eines Idealtyps

 

Problemen der Sozialpolitik kamen für die Entwicklung und die Eigenart von Max Webers Verständnis von Sozialwissenschaft, seiner Methode wie seiner inhaltlich leitenden Fragestellungen eine herausragende Bedeutung zu. Z. Bsp. schloss Weber seine Überlegungen in "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" mit folgender Aufforderung ab: "Die Aufgabe wäre vielmehr: die in der vorstehenden Skizze ja nur angeschnittene Skizze ja nur angeschnittene Bedeutung des asketischen Rationalismus nun auch für den Inhalt der sozialpolitischen Ethik, also für die Art der Organisation und der Funktionen der sozialen Gemeinschaften vom Konventikel bis zum Staat aufzuzeigen." Im Mittelpunkt des Projekts stehen eine idealtypische Rekonstruktion seines Begriffs und seiner "Theorie" der Sozialpolitik. Sozialpolitik ist für Weber die gesetzesförmliche Regulierung der Wirtschaft, die im Interesse der direkten Befriedigung von Bedürfnissen und der konkreten Gestaltung von Verteilungsergebnissen ein mögliches Optimum marktförmiger Einkommens- und Güterversorgungschancen einschränkt. Webers Begriff der Sozialpolitik geht von der Eigenart der Markt- und Verkehrswirtschaft aus, die ein "Ansehen der Person" nicht kennt. Die moderne wirtschaftliche Entwicklung ist für Weber durch eine umfassende formale, also auf Grundlagen allgemeiner Rechtsgleichheit und abstrakt definierter Verfügungsrechte beruhende Rationalisierung gekennzeichnet. Sie kennt nur kaufkräftige Interessenlagen, ansonsten aber weder Statusqualitäten von Personen noch direkt und eindeutig bestimmbare Verteilungsergebnisse. Nach Weber hat Sozialpolitik ihren Ausgangspunkt in der materialen Kritik von Prozessen und Resultaten formaler Rationalisierung, die in ethische Forderungen nach einer korrigierenden Intervention mündet und Gegenstand einer Institutionalisierung wird, deren Rationalitätskriterium die zurechenbare Befriedigung individueller Bedarfe ist. Sie schränkt den Preismechanismus als Regulator von Angebot und Nachfrage ein oder schaltet ihn ganz aus, um eine bestimmte Art der Verteilung von Einkommen und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen direkt, und nicht auf marktvermittelten Wegen, zu erreichen. Diese Begriffsbestimmung geht vom subjektiv gemeinten Sinn des politischen Handelns aus. Sie betont die grundsätzlich außerwirtschaftlichen Wurzeln der Sozialpolitik, macht auf den wertrationalen Eigen- und Gesinnungswert – im Gegensatz zum zweckrationalen Erfolgswert – sozialpolitischen Handelns aufmerksam, und stellt die nichtintendierten Folgen der Institutionalisierung von Sozialpolitik in das Zentrum des Forschungsinteresses. Neben seinem Beitrag zur Ontologie und zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie einer Soziologie der Sozialpolitik beschreibt der Aufsatz die inhaltlichen Forschungsansätze und Ergebnisse von Webers Beschäftigung mit dem modernen Wohlfahrtsstaat.