Zwischen Romantik und Kapitalismus
Auf den Spuren von Bolesław Prus’ Roman Die Puppe in Warschau und Łódź
Sommersemester 2024, 5.–10. Mai 2024
Im Seminar „Bolesław Prus, Lalka (Die Puppe, 1890): Eine Einführung in die polnische Kultur“ (WS 2023/24) lasen wir diesen bekanntesten polnischen Roman als Schwellentext: Die von der Romantik geprägte aufständische Tradition Polens kam von hier aus ebenso in den Blick wie die Zeit des Umbruchs, in der der Roman spielt, und die Moderne, auf die er künstlerisch und gesellschaftlich vorausweist.
Diese dreifache Perspektive konkretisieren wir während unserer Exkursion vom 5. bis 10. Mai 2024 unter dem Titel „Zwischen Romantik und Kapitalismus. Auf den Spuren von Bolesław Prus’ Roman Die Puppe in Warschau und Łódź“: Wir konnten den Roman „begehen“ – ein faszinierendes Stadt- und Architekturerlebnis, wie es für die meisten von uns neu war.
Ein ganzer Tag war dem Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN sowie dem Museum des Warschauer Aufstands gewidmet – einmal mit Audio-Guides, einmal mit einem Museumsführer auf Englisch. Diese Museumsbesuche waren nicht nur sachlich bereichernd; es war auch aufschlussreich, zwei komplett unterschiedliche Museums-„Poetiken“ direkt vergleichen zu können: eine zeitgenössische (POLIN), und eine eher traditionelle (Museum des Warschauer Aufstands).
Mit Prof. em. Dr. Andrzej Mencwel, einem der bekanntesten Literatur- und Kulturwissenschaftler Polens, durften wir eine intensive, fast dreistündige Abenddiskussion zur polnischen Kultur- und Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts führen und so die Eindrücke der Lalka-Führung und der Museumsbesuche vertiefen. Eine weitere Begegnung mit Prof. Dr. Markus Eberharter aus der angewandten Linguistik der Universität Warschau half uns, einiges von dem, was wir im Museum POLIN gesehen hatten, auf dem Territorium des einstigen Warschauer Ghettos zu lokalisieren.
Die Ergänzung des Exkursionsziels Warschau um Łódź eröffnete uns einen Blick auf eine noch immer weniger bekannte Stadt, an der sich für die neuere Geschichte Polens zentrale Aspekte ablesen lassen. Prof. Dr. Gudrun Heidemann aus der dortigen Germanistik war für uns eine ideale Ansprechpartnerin und umsichtige Gastgeberin. Auch dank ihren Hinweisen lernten wir die heute komplett umgestaltete einstige Industriestadt kennen. Außerdem bekamen wir im Museum für Kinematografie Einblicke in die weltberühmte Łódźer Filmkultur. Und wir trafen uns immer wieder auf der Piotrowska – einer der erstaunlichsten Flaniermeilen Europas.
Während der Exkursion hielten die Teilnehmenden raumbezogene Kurzvorträge, hörten und sprachen viel Polnisch. Die Gruppe meldete bereits auf der Rückfahrt ihr Interesse an, in Zukunft an weiteren Exkursionen nach Polen teilzunehmen. In diesem Sinne war die Reise ein schöner Anfang, mit hoffentlich noch vielen Fortsetzungen.
Wir danken dem Universitätsbund Bamberg herzlich für die großzügige Unterstützung!
Text: Christian Zehnder, Lehrstuhl für Slavische Literturwissenschaft
Foto: Hanno Teske