Bamberger Slavistik auf den Spuren Ivan Bunins (1870-1953), des ersten russischen Literatur-Nobelpreisträgers
Im Sommer 2011 luden die Literaturwissenschaftler Peter Thiergen (Bamberg) und Michaela Böhmig (Neapel) Kolleginnen und Kollegen und Doktorandinnen und Doktoranden zu einem Symposium auf der Mittelmeerinsel Ischia ein. Es war der 1915 erstmals erschienenen Novelle Gospodin iz San-Francisko (Der Herr aus San Francisco) von Ivan Bunin gewidmet, die dem im Exil lebenden Schriftsteller 1933 den Nobelpreis für Literatur einbrachte. Als Bd. 84 der im Böhlau Verlag Köln Weimar Wien erscheinenden Reihe „Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte“ liegen die Ergebnisse nun in Buchform vor.
Der von den beiden Herausgebern mit Unterstützung der Sprachwissenschaftlerin Anna-Maria Meyer sorgfältig edierte Band beleuchtet das fesselnde und beunruhigende Werk des russischen Schriftstellers, der für die stilistische Vollendung und die klassisch-maßvolle Komposition seiner Erzählungen und die programmatische Zuwendung zu existentiellen Themen bekannt, aber nicht unumstritten ist. „Die Anordnung der Beiträge versucht, dem Prinzip‚ vom Allgemeinen zum Besonderen‘ zu folgen […]“, heißt es im Vorwort. So geht es neben der Textgeschichte und -hermeneutik von D. D. Nikolaev (Beitrag auf Russisch) ausdrücklich auch um das „Tödliche Capri-Syndrom“ im gesamteuropäischen Kontext in Wort und Bild von der Antike bis heute, dem Peter Thiergen und Michaela Böhmig ihre Beiträge gewidmet haben. Ada Raev beleuchtet aus kunsthistorischer Sicht den sich wandelnden Blick russischer Künstler auf Süditalien, die es wie ihre Kollegen aus anderen Ländern seit dem späten 18. Jahrhundert in den Süden zog. Andere Beiträge wie die von Uta Gärtner, Yvonne Pörzgen und Quirin Pusch nehmen einen Vergleich mit Werken von Arthur Schnitzler, Joseph Conrad, Virginia Woolf bzw. Gerhard Hauptmann vor, die semantische Gemeinsamkeiten mit Bunins Reise- und Todesnovelle aufweisen. Angelina Maier-Geiger wiederum fragt nach der Bedeutung der Ikonographie des Narrenschiffes für Bunins Gospodin iz San-Francisko. Während Christine Fischer im Hinblick auf den Topos der navigatio vitae auch Bunins Lyrik betrachtet, widmen sich Anne Hultsch und Aschot Isaakjan Fragen der Übersetzung ins Tschechische bzw. ins Deutsche. Im Anhang legt Michaela Böhmig den Leserinnen und Lesern des Bandes noch die Lektüre von und den Vergleich mit Luigi Pirandellos Im Hotel ist jemand gestorben ans Herz.
Im Ergebnis der versammelten Beiträge treten sowohl die Zeitbezogenheit der verstörenden, vor einem Jahrhundert erschienenen Novelle von Ivan Bunin als auch ihre epochen- und länderübergreifende Aktualität zutage.