Dr. Gunhild Oberzaucher-Schüller
Dr. Gunhild Oberzaucher-Schüller ist eine international ausgewiesene Theater- und Tanzwissenschaftlerin, die auch Kunstgeschichte und Russisch studiert und über Bronislava Nijinska promoviert hat. Sie hat an den Universitäten Salzburg, Wien und Bayreuth, aber auch an der Ballettschule der Österreichischen Bundestheater und am Konservatorium Wien unterrichtet. Darüber hinaus verfügt sie über ballettdramaturgische Erfahrung.
In ihrem Vortrag verfolgte Dr. Gunhild Oberzaucher-Schüller die Entwicklung der Ballett-Choreographie in Rußland, angefangen von dem "Grand ballet" des Franzosen Marius Petipa bis zu Michail Fokins Meisterwerken für die Ballets Russes.
Petipa, der ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Petersburger Mariinskij Theater tätig war, konzepierte der Tradition gemäß seine Ballettinszenierungen (z.B. Dornröschen oder Raymonda) als "bewegte Gemälde".
Für Dr. Oberzaucher-Schüller sind die drei Körpertypen des Charaktertanzes, die ihrerseits drei verschiedene Bewegungswelten bilden, entscheidende Elemente von Petipas neuem "Grand ballet". In seinen Inszenierungen treffen die verschiedenen Bewegungswelten, die bisher getrennt voneinander oder in zweiaktigen Anlagen zu sehen waren, nun in einem einzigen Akt aufeinander.
Rein tänzerische Abschnitte in einheitlichen Kostümen kommen bei Petipa immer öfter zum Zuge. Diese "symphonischen Einschübe" gliedern sich schließlich aus dem Gesamtkontext heraus und werden als eigenständige Elemente verstanden.
Erst im Kontext der Ballets Russes setzt sich die Überzeugung durch, dass alle Teile des Balletts einer Idee untergeordnet sein sollen. Das ist bis heute das wichtigste dramaturgische Merkmal des russischen Balletts.