Dr. Ricardo Borrmann (DAAD-Stipendiat) – Dissertation – LMU

Betreuung:
Prof. Dr. Ursula Prutsch (LMU München),
Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura (Universität Bamberg) und
Prof. Dr. Kärin Nickelsen (LMU München) (Dritte Prüferin)

Disputation: 10. Februar 2017 (LMU München)

Dr. Ricardo Borrmann
Rudolf von Jhering, Ernst Haeckel und Hans Kelsen – ihre Wirkung in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft und ihre Rezeption in Brasilien (1879-1939)

  • Publikation: Borrmann, Ricardo (2019). Tobias Barreto, Sílvio Romero und die Deutschen. Die Rezeption deutschsprachiger Autoren in der brasilianischen Rechtskultur (1869–1889). Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

Abstract
Im Mittelpunkt dieser Dissertationsarbeit steht die Aneignung und Rezeption deutschsprachiger Autoren in Brasilien am Ende des 19. und Anfang des 20. Jhdts. Sie fokussiert auf den Rechtswissenschaftler Rudolf von Jhering (1818-1892), den Naturbiologen Ernst Heackel (1834-1919) und den Juristen Hans Kelsen (1881-1973). Alle drei wurden begeistert in Brasilien rezipiert: die ersten beiden haben vor allem auf die „Generation von 1870“ um die Juristische Fakultät in Recife einen nachhaltigen Einfluss geübt; zu nennen sind in diesem Zusammenhang Tobias Barreto (1839-1889), Clóvis Beviláqua (1859-1944) und Silvio Romero (1851-1914). Hans Kelsens Einfluss seinerseits war in den Debatten um die brasilianische Verfassung von 1934 durchaus zu spüren. Auf welche Weise ihr Gedankengut transferiert und wie ihre Ideen in Brasilien aufgenommen wurden, hierin besteht das Kernthema dieses Forschungsprojekts; ferner auch darin, ob es sich um einen gelenkten Zirkulationsprozess handelt, hinter dem ein (kulturpolitisches) Programm steckt („Instrumentalisierung“). Der Fokus ist demnach auf die unterschiedliche Bewertung dieser Autoren zunächst in den jeweiligen deutschsprachigen wissenschaftlichen Landschaften als auch in Brasilien gerichtet. Die Rezeption der drei ausgewählten Autoren zu bewerten und sogleich diesen komplizierten und konfliktreichen Prozess in einer Gesamtdarstellung zu erarbeiten ist das Ziel dieser Arbeit. Die Arbeitshypothese lautet, dass der „Rechtspositivismus“ im deutschsprachigen Raum eine ganz andere politische wie auch wissenschaftliche Verortung und Bedeutung aufweist als in Brasilien, wo er lediglich als politische Ideologie von den Militärs, die bei der Ausrufung der Republik in Brasilien 1889 maßgeblich beteiligt waren, instrumentalisiert worden war. Außerdem handelte es sich in diesem Fall hauptsächlich um den französischen Positivismus, geprägt von Auguste Comte. Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) bietet die Materialbasis für diese Recherche, indem sie über die meiste relevante Sekundärliteratur und gedruckte Quellen in deutscher Sprache verfügt. Um kritische Positionen gegenüber den im Fokus stehenden Autoren festzumachen, werden auch – abgesehen von brasilianischen Archivbeständen – Dokumente des Hans Kelsen Instituts in Wien, Ernst-Haeckel-Hauses an der Uni-Jena und des Nachlasses von Rudolf von Jhering in der Universitätsbibliothek in Göttingen herangezogen.