Gastvortrag Prof. Dr. Ursula Prutsch (Ludwig-Maximilian-Universität München)
»Eva Perón: Inszenierung, Ikone und Mythos«
Bamberger Vorträge zur Lateinamerikanistik
Bamberg, am Montag, den 13. Januar 2015.
Ursula Prutsch lehrt Amerikanische Kulturgeschichte an der LMU und schreibt zurzeit eine Biographie über Eva Perón, die noch dieses Jahr im C.H. Beck Verlag erscheinen wird. In ihrem Vortrag über den Mythos Eva Peróns wurde deutlich, wie gegenwärtig diese Ikone noch heute in Argentinien ist und das Land weiter prägt. Auf dem 100 Peso Schein, mit ihrer eigenen Facebook-Seite, einem Twitter-Account oder auf einer riesigen Außeninstallation an der Fassade des Arbeitsministeriums: Eva Perón hält die Argentinier weiter in ihrem Bann und ist nicht wegzudenken.
Eine Frau, die sich schon zu Lebzeiten sehr bewusst inszeniert hat, die genauso verklärt wie verteufelt wurde, bietet eine ideale Projektionsfläche für Vereinnahmungen, Geschichtsklitterung und einen nicht abreißen wollenden Personenkult. Dabei gingen und gehen Gegner wie Anhänger dieser polarisierenden Figur gleichermaßen unreflektiert vor: Eva Perón lässt in Argentinien niemanden kalt. Die »wahre Eva« ist dadurch fast genauso unzugänglich geworden wie andere Heilige der Geschichte. Je nachdem ob die Peronisten nach ihrem Tod an der Macht waren oder nicht, reichten die Auseinandersetzungen mit ihrer Person von der Darstellung als einer blutsaugenden Vampirin bis zur Mutter der Nation, die ein jedes Kind in sein Gebet einschließen sollte. Seit den 90er Jahren ist durch die politischen Verhältnisse im Land der Mythos wieder ungebrochen.
Eva Perón, illegitimes Kind und arm geboren, geht um Schauspielerin zu werden nach Buenos Aires und wird schließlich ein Radiostar. Auf einer Spendengala trifft sie auf den Militär Juan Perón, der Ambitionen auf das Präsidentenamt hat. Als Arbeitsminister beginnt er die Gewerkschaften zu spalten, bietet billige Wohnungen an und macht erfolgreiche Sozialpolitik, die auch von der katholischen Kirche und dem Militär getragen wird. Mit seiner Wahl zum Präsidenten 1946 beginnt auch Evas politische Karriere. Der Peronismus stützt sich auf die vormals politikferne Arbeiterschaft und die Landbevölkerung und kann große Errungenschaften wie Rente, Urlaub und bezahlbare Wohnungen noch finanzieren. Eva wird zum Aushängeschild dieser Sozialpolitik und schafft sich mit den Medien eine willfährige Presse, inszeniert das vermeintlich Private als volksnah so wie man es heute aus der Regenbogenpresse kennt. Ihre helle Hautfarbe und die gefärbten Haare lassen sie zu einer angehimmelten Lichtgestalt für die Armen werden. Sie verbindet scheinbar widerspruchslos luxuriöse Garderobe mit einem Diskurs, der sich für die Armen stark macht.
Geschickt setzt sie sich sogar erfolgreich für das Frauenwahlrecht ein und setzt sich somit an die Spitze einer vorhandenen und längst verspäteten Entwicklung, deren Früchte sie im Licht der Öffentlichkeit erntet und mit einer ebenso gelungenen Gratwanderung zu den Militärs in Argentinien verbindet: sie propagiert weiterhin das Bild der Frau als Hausfrau und Mutter, die ihren Mann verehrt und als Meister sieht, um sich als Bindeglied zwischen Volk und Führer zu positionieren. In der Fundación Social Eva Perón, die unter Zwang und zum Schaden anderer Sozialverbände errichtet wurde, kann sich Eva Perón als eine Mischung zwischen Pseudomonarchin und Christkind gerieren, indem sie in einem prunkvollen Büro Geschenke an lange Schlangen Bedürftiger verteilt. Selbst als sie bereits vom Krebs gezeichnet ist, schwört sie das Volk noch auf ihren Mann ein.
Der mitreißende Vortrag von Frau Prutsch ließ in der anschließenden Diskussion auch das deutsche Publikum nicht kalt. Eine mitgebrachte Devotionale machte den Mythos Evitas besonders sinnfällig: ein Heiligenbildchen samt Ikone mit frisch lackierten Fingernägeln und einem Gebet auf der Rückseite.
(von Arndt Lainck, Januar 2015)