Gastvortrag Prof. Dr. Marco Coronel (Universitat València, Spanien)
»La lupa de la Inquisición: la heterodoxia como herejía«
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies
Bamberg, am Dienstag, 23. Juni 2015.
Im Rahmen der Bamberger Vorträge zu Iberian Studies lud am 23. Juni 2015 die Professur für Romanische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Hispanistik zu einem spanischsprachigen Gastvortrag ein mit dem Thema »La lupa de la Inquisición: la heterodoxia como herejía«. Der Gastdozent Prof. Dr. Marco Coronel ist Altphilologe und lehrt an der Universität Valencia. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem das Mittellateinische des 16. und 17. Jahrhunderts, die Kryptojuden und die Inquisition auf der Iberischen Halbinsel. Für Coronel war es der zweite Vortrag an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, nachdem er 2014 bereits über den spanischen Humanisten und Philosophen Juan Luis Vives referierte.
Anknüpfend an Vives, der die These vertrat, dass innerhalb Europas durchaus verschiedene Glaubensrichtungen friedlich koexistieren könnten, stand diesmal die Heterodoxie ‒häufig auch als Häresie und Ketzerei betrachtet‒ auf der Iberischen Halbinsel zur Zeit der Inquisition im Fokus. Coronel erläuterte den zunächst harmlos anmutenden Ursprung des Häretikers: zunächst bedeute die griechische Wurzel haeresis nämlich schlichtweg ‚Meinung‘ oder ‚Auswahl einer Meinung bzw. eines Standpunktes‘.
Der Gebrauch des Terminus im Neuen Testament zeigt aber bereits einen andauernden Bedeutungswandel an. Im Ersten Brief an die Korinther wird Häresiebereits im Sinne einer ‚abweichenden, anderen Meinung‘ gebraucht und im Brief des Paulus an Titus ist Ketzerei bereits vollkommen negativ als eine Art illegitime Idee abgewertet. Ähnliche Beschreibungen des Phänomens können wir im Evangelium des Johannes finden. Vorerst wurde Ketzerei auch ausschließlich als ein Vorkommnis innerhalb des Klerus beschrieben, präzisierte Coronel, und keineswegs auf die komplette Gesellschaft angewandt.
Mit der Einführung des Christentums als offizielle Religion des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert beschäftigte sich nun auch das römische Recht mit Ketzerei und Häresie. Das Rechtssystem sollte auch als Grundlage für das Kirchenrecht dienen und so aktualisierte die Universität von Bologna im 11. Jahrhundert die auf römischer Rechtsprechung basierenden Gesetzeskatalog und passte sie an die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der heterogenen Gesellschaft an. Etwa ab dem 12. Jahrhundert wurde Ketzerei somit als eine radikale Bedrohung der sozialen Ordnung gesehen (»extra ecclesiam nulla salus est«), die es auszumerzen galt. »Delenda est haeresis« wurde somit zu einem der Leitsätze der Kirche. Das Phänomen der ehemals lediglich klerikalen ‚Meinungsverschiedenheit‘ wurde gesellschaftlich aufgeladen und politisiert.
Besonders ab dem 11.-13. Jahrhundert spalteten sich immer mehr Gruppen wegen verschiedener Auffassungen und Beantwortungsversuche religiöser Fragestellungen ab, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingehend bearbeitet und definiert worden waren. Anhand verschiedener Gruppierungen, wie z.B. den Katharern oder Albigensern, skizzierte Prof. Coronel bis hin zum 15. Jahrhundert den Verlauf dieses Ringens um den rechten Glauben, aber nicht immer konnten die ausgegründeten Glaubensrichtungen auch wieder integriert und in das offizielle Christentum assimiliert werden. In Spanien kam hinzu, dass man nun einen Vorwand an die Hand geliefert bekam, Juden und Muslime aus ihrer gesellschaftlichen Stellung und wirtschaftlichen Macht drängen zu können. Im Kontext der gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen begannen diese Personengruppen immer weiter in ihrem Ansehen zu sinken und konnten als die ‚Schlimmsten aller Ketzer‘ betitelt werden. Den Conversos, Juden, die zum Christentum konvertiert waren, blieb trotz ihrer Taufe eine vollständige Anerkennung verwehrt.
Auch wenn im Laufe des 15. Jahrhunderts die Forderungen nach einer Reformierung der Kirche zunahmen, entwickelte sich die Inquisition zu einem politischen Instrument. All diejenigen, die sich nicht der bestehenden Ordnung, also den Regeln und Normen der katholischen Kirche, unterordneten, konnten als Ketzer verurteilt werden. Es wurde nicht mehr zwischen Conversos, Lutheranern oder sonstigen Glaubensrichtungen und geistigen Strömungen unterschieden, sondern man konnte nun alle verfolgen, die unter dem Verdacht standen, eine Gefahr für den Glauben und somit für die Gesellschaft zu sein. Ketzerei war nicht mehr nur ein Problem innerhalb des Klerus, sondern eine soziopolitische Kategorie, die zu einer Zwangshomogenisierung der Gesellschaft missbraucht werden konnte.
Zahlreiche Studierende, Dozierende und externe Zuhörer folgten Coronels Ausführungen, die von einer angeregten Diskussionsrunde zur Thematik abgeschlossen wurden. Marco Coronel bereicherte zudem das Lehrangebot am Institut für Romanistik mit einer Blockveranstaltung zum Thema »Conversos y criptojudíos en la península ibérica (siglos XV y XVI)«, die großen Zulauf genoss. Auch Maria Sebastià Sáez, Doktorandin bei Prof. Coronel, forschte zur selben Zeit im Rahmen ihrer Dissertation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. In diesem Sinne etablieren sich die Iberian Studies immer weiter innerhalb der Bamberger Romanistik und auch die akademischen Beziehungen zur Universität von Valencia werden stetig ausgebaut.
(von Florian Lützelberger, Juni 2015)