Gastvortrag Prof. Dr. Marco Coronel (Universitat de València / Universidad de Valencia)
»Juan Luis Vives, el humanista que define España y describe Europa«
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies
Am 6. Mai 2014 organisierte die Professur für Romanische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Hispanistik einen Gastvortrag mit dem Thema »Juan Luis Vives, el humanista que define España y describe Europa« im Rahmen der Bamberger Vorträge zu Iberian Studies. Zum spanischsprachigen Vortrag des Gastdozenten und Altphilologen Prof. Dr. Marco Coronel (Universitat de València) fanden sich zahlreiche Studierende und Dozierende ein.
Prof. Coronel stellte Studierenden wie Dozierenden am Abend des 6. Mai 2014 den spanischen Humanisten und Philosophen Juan Luis Vives (1492–1540) vor. Dieser beschäftigt sich in seinen Werken mit den tiefgreifenden Veränderungen und Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel (besonders in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts) und definiert somit mit, was Spanien zu dieser Zeit ausmacht und inwieweit es zur Entstehungsgeschichte eines einheitlichen Europas beiträgt. Marco Coronels Spezialgebiet ist die Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts in lateinischer Sprache.
Nach einer kurzen Vorstellung und Begrüßung durch Prof. Rodrigues-Moura und einer Hinführung zum Thema, begann Prof. Coronel seinen Vortrag mit der Biographie von Juan Luis Vives. Als Sohn einer jüdischen, jedoch (zwangs-)konvertierten Kaufmannsfamilie erlitt Vives ein trauriges Schicksal im Schatten der spanischen Inquisition, da sein Vater im Zuge selbiger auf dem Scheiterhaufen starb und die Gebeine seiner bereits verstorbenen Mutter 24 Jahre nach deren Tod exhumiert und nachträglich verbrannt wurden. Vives studierte bereits mit 15 Jahren an der Universität von Valencia, bevor es ihn 1509 nach Frankreich, genauer an die Pariser Sorbonne, zog, wo er bis 1512 verweilte. Im selben Jahr zog er nach Brügge, wo er Margarita Valldura unterrichtete, die er auch später heiratete. 1523 bis 1528 hielt sich Juan Luis Vives in England auf, wo er für den Hof tätig war und somit auch Heinrich VIII. beeinflusste. Nach fünf Jahren kehrte er allerdings aufgrund eines Zerwürfnisses mit dem König wieder nach Brügge zurück; Vives hatte sich klar gegen die Scheidung Heinrichs VIII. von Catalina de Aragón ausgesprochen und war so bei diesem in Ungnade gefallen.
Besonders betonte Coronel die Wichtigkeit der Œuvres des spanischen Humanisten, in denen er sich mit Themen wie der Pädagogik, der Philosophie, der Psychologie und besonders dem Frieden in Europa beschäftigt; zu seinen wichtigsten Texten zählen unter anderem De concordia et discordia in humano genere, De anima et vita (libri tres) und De ratione studii puerilis. Im selben Atemzug berichtet der Gastdozent von den zahlreichen Beziehungen Vives‘ zu den Mächtigenseiner Zeit. So etwa widmet Juan Luis Vives (unter zahlreichen anderen) dem spanischen König Carlos V, dessen Sohn Philipp II, dem englischen Herrscher Heinrich VIII, ebenso wie dem portugiesischen Regenten Dom João III, einige seiner Werke. Es zeugt hierbei von einer gewissen Überlegenheit und wirkt in hohem Maße provokativ, dass er dem spanischen Hauptinquisitor Alfonso Manrique de Lara, Erzbischof von Sevilla, die Schrift De pacificatione widmet.
Schon seine Zeitgenossen sprechen Vives höchstes Lob aus: So etwa Erasmus von Rotterdam, der den spanischen Humanisten als in höchstem Maße eloquent und gar als unvergleichlich beschreibt. Auch Thomas Morus findet ähnlich Worte, wenn er Vives trotz seiner Jugend kaum mehr zu übertreffen nennt. Marco Coronel führt an dieser Stelle noch eine ganze Reihe weiterer prominenter Namen an, darunter sowohl Zeitgenossen als auch Denker unserer Zeit (u. a. Coseriu). Allesamt sind sie überzeugt vom Schaffen und der Denkweise des Spaniers; Ángel Delgado Gómez nennt ihn gar »el humanista más completo del Renacimiento europeo«.
Das Spanien, in dem Vives lebt, ist zweigeteilt. Einerseits werden Juden als »Dämonen« angesehen und bereits 1492 kommt es zur Vertreibung der Juden aus Kastilien und Aragón, andererseits kämpfen Autoren wie Alonso de Oropesa, Alonso de Cartagena oder Hernando de Talavera (Erzbischof von Granada) bereits in ihren Schriften gegen solche Taten und Denkweisen an. Dem Antisemitismus, der sich in Spanien herausbildet, sowie den Gedanken der Reformation schließt sich Vives nicht an. Er lehnt eine Spaltung der Kirche und auch die radikalen Maßnahmen der Inquisition strikt ab. Ziel müsse stattdessen eine sachliche und friedliche Verständigung sein. Thematisch knüpft auch hier der Teil seines Denkens mit dem wohl größten Gegenwartsbezug an: Durch seine Beiträge legt Vives den theoretischen Grundstein für eine tolerante katholische Kirche, die auch dem offenen Dialog mit anderen Konfessionen nicht verschlossen gegenüberstehen soll. Seinen Gedanken zur »tradición conversa« und religiösen Fragen verleiht er in Werken wie Jesu Christi triumphus, Ovatio Virginis Dei parentis und Descriptio clypei Christi Ausdruck. Hierbei baut er auf den Pax Christi und die christliche Vorstellung, dass Jesus sowohl göttlich und menschlich sei.
Mit »No hay ninguna guerra justa, no hay ninguna paz injusta« fasst Prof. Coronel die Ideen von Vives noch einmal zusammen, bevor er ihn unter dem Strich als »Pensador más importante de la España del momento y uno de los más relevantes de toda Europa en el siglo XVI« bezeichnet, der »conjuga el pensamiento converso con el erasmismo [...], describe la reforma social española [...]« und »define el pacifismo europeísta«.
(von Florian Lützelberger, Mai 2014)