Gastvorlesung Prof. Dr. Marco Coronel (Universitat de Valencià, Spanien)
»Conversos y criptojudíos en la península ibérica (siglos XV y XVI)« (28 SWS)
Bamberg, Juni 2015
Die Professur für Romanische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Hispanistik lud im Rahmen des Bamberger Forschungsschwerpunkts zu Iberian Studies den Altphilologen Prof. Dr. Marco Coronel ein, der im Juni die Blockvorlesung »Conversos y criptojudíos en la península ibérica (siglos VX y XVI)« anbot. Die Lehrveranstaltung in spanischer Sprache gab den Teilnehmern einen umfassenden Überblick über die gesellschaftliche Stellung der Juden und Konvertiten im Spanien des 15. und 16. Jahrhunderts und in Europa.
Im ersten Block erläuterte Prof. Coronel zunächst die Wurzeln des sogenannten »Judenproblems«, die in der zunehmenden Differenzierung des Christentums vom Judentum im ersten Jahrhundert n.Chr. zu finden sind. Die endgültige Spaltung der beiden Religionen im zweiten Jahrhundert n.Chr. brachte schließlich erste explizit gegen Juden gerichtete Schriften hervor, die über die Jahrhunderte hinweg drastisch zunahmen. Anhand von ausgewählten Textbeispielen wurden wiederkehrende antijüdische Topoi aufgezeigt, wie beispielsweise die Sturheit der Juden, am »falschen« Glauben festzuhalten oder ihre Blindheit, nicht die »einzige Wahrheit« zu erkennen. In den Schriften lässt sich kontinuierlich die Verurteilung des jüdischen Rechts ablesen und wie die gegen die Juden erhobenen Strafen und das verursachte Leid gerechtfertigt wurden: indem man sie beispielsweise als Gottesmörder dargestellt und als Satansanbeter beschuldigt hat.
Im anschließenden Block wurde ein Überblick über das Judentum im Mittelalter in Europa gegeben. Die Zentren des Judentums waren zu jener Zeit eindeutig in Deutschland und Spanien. Die ersten Angriffe auf jüdische Bürger ereigneten sich bereits im 11. Jahrhundert in Clermont-Ferrand in Frankreich. 1290 wurde die jüdische Bevölkerung Großbritanniens vertrieben, 1306 wurden die Juden aus Frankreich ausgewiesen. Zuflucht fanden die Vertriebenen zumeist in Spanien. Sehr detailliert zeichnete Prof. Coronel anhand verschiedener Textquellen die Situation der Juden in Spanien, beginnend mit der Herrschaft der Westgoten. Das Zusammenleben zwischen Juden, Christen und Muslimen in Al-Ándalus endete jedoch auch hier jäh mit der Vertreibung 1492.
Nach der grundlegenden Darstellung des »Judenproblems« und einer Abgrenzung der Konzepte Antijudaismus und Antisemitismus, widmete sich die Vorlesung dem »Konvertitenproblem«. Tatsächlich wurden viele Juden, die im Laufe der Jahrhunderte zum Christentum konvertiert waren, verdächtigt, heimlich an ihrem alten Glauben festzuhalten und diesen weiter zu praktizieren. Der Hass richtete sich nun gegen die sogenannten »Neuen Christen« und schlug sich ab dem ausgehenden 14. Jahrhundert in systematischen Hetzjagden nieder. Hier sind vor allem die Verfolgung in Sevilla von 1391 und die Rebellion von Toledo von 1449 zu nennen. Der Erlass des Alhambra-Edikts 1492 beschloss schließlich die endgültige Vertreibung der verbleibenden 100.000 Juden aus Spanien.
Ein gesonderter Block widmete sich der Inquisition in Spanien, die 1478 von Königin Isabel vom Papst erbeten wurde, um »falsche« Christen zu entlarven und die »wahren« Christen zufrieden zu stellen. Der exemplarische Inquisitionsfall des Humanisten Juan Luis Vives machte die Tragik der inquisitorischen Vorgehensweise unmissverständlich deutlich.
Im letzten Block der Gastvorlesung beschäftigten sich die Teilnehmer mit einigen literarischen Werken jüdischer Konvertiten. Unter den Autoren jener Werke finden sich einige der namhaftesten spanischen Schriftsteller des Siglo de Oro, wie zum Beispiel Miguel de Cervantes, Fernando de Rojas, Mateo Alemán, Luis de Góngora oder Baltasar Gracián. Herausgehoben wurden neben Juan Luis Vives auch Hernando de Talavera, erster Erzbischof von Granada, welcher sich für das friedliche Zusammenleben der drei Religionen stark machte, sowie der Humanist Juan de Lucena, dessen Schriften sich ausdrücklich gegen die Inquisition richteten. Das reiche jüdische Erbe in Spanien besteht allerdings nicht allein aus der umfassenden geistlichen Literatur: zahlreiche weltliche Schriften im Bereich der Wissenschaft trugen maßgeblich zur Entwicklung anderer wissenschaftlicher Teildisziplinen, wie z.B. der Biologie, Zoologie, Medizin und Astrologie bei.
Prof. Marco Coronel, ausgewiesener Spezialist auf diesem Gebiet und an der Universität Valencia tätig, hat durch diese Veranstaltung und seine profunden Kenntnisse das Lehrangebot des Instituts für Romanistik deutlich bereichern können.
(von Felicia Bayrhof und Sissy Neupert, Juli 2015)