Exkursionsbericht 27.04.2013
Nürnberg – Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und Memorium Nürnberger Prozesse
Am 27.04.2013 fand im Rahmen des Seminars „Erinnern und Vergessen in Lateinamerika“ unter der Leitung von Katharina E. Scheffner, M.A. und Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura eine Exkursion nach Nürnberg zum Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und zum Memorium Nürnberger Prozesse statt, um die im Seminar erarbeiteten theoretischen Grundkenntnisse zum Thema „Erinnerung im Museum in identitäts- und sinnstiftender Funktion“ in der Praxis zu vertiefen. Das Seminar ist auch in den Kontext des Professur-Projekts „Der lange Schatten der Diktaturen. Fiktionale und faktuale Narrationen in der Iberoromania” von Prof. Dr. Rodrigues-Moura eingebettet.
Vor der Exkursion hatten sich die Studierenden mit einleitenden Texten zu den Themen „Museum“, „Erinnerungsorte“ und „Denkmale und Gedenkstätten“ beschäftigt, um die Sonderausstellung „Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Arisierung in Nürnberg und Fürth“ und die Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände sowie die Dauerausstellung im Memorium Nürnberger Prozesse auch in der Konzeption erfassen zu können. Ein pädagogisches Nachgespräch, in dem insbesondere auf die Ausstellungs- und Museumskonzeption eingegangen wurde, ergänzte die Führung durch die Sonderausstellung und den Besuch der Dauerausstellung im Dokumentationszentrum. Im Nachgespräch stand das Wechselspiel zwischen alter, originaler und moderner Architektur, durch die das Dokumentationszentrum geprägt ist sowie die Ausstellungskonzepte und -konzeption, im Vordergrund: So durchschneidet der durch den Grazer Architekten Günther Domenig konstruierte Gang aus Stahl und Glas die nationalsozialistische Architektur; weitere Elemente aus Stahl stemmen sich innerhalb des Gebäudes gegen die originalen Wände und Decken. Nicht nur hier entdeckten die Studierenden die politisch gewollte Aufarbeitung und Darstellung des Nationalsozialismus als in die Geschichte Deutschlands integrierte, nicht abgeschlossene und gesellschaftlich abgelehnte Epoche. Die durch Architektur, Farbwahl und wenig Licht hervorgerufene beklemmende Atmosphäre war in beiden Ausstellungen deutlich spürbar.
Um auch die ‚Aufarbeitung der Aufarbeitung‘ mit in die Überlegungen über den Umgang mit Geschichte einzubeziehen, besuchte die Gruppe im Anschluss das Memorium Nürnberger Prozesse, in dem 1945 und 1946 durch die Alliierten die Prozesse gegen führenden Nationalsozialisten abgehalten wurden. Die erst 2010 eröffnete Dauerausstellung beschreibt nicht nur das Vorgehen der Alliierten im Nachkriegsdeutschland sondern geht auch auf die aus den Nürnberger Prozessen hervorgehenden internationalen Gerichtshofe sowie auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit in aller Welt ein. Die Führung beleuchtete einige besonders wichtige Aspekte der Ausstellung und erläuterte die komplexe Aufarbeitung direkt nach dem Krieg.
Im Seminar werden die Studierenden sich nun unter anderem auch mit Museen in Lateinamerika, die sich mit der Aufarbeitung der Diktaturen beschäftigen, auseinandersetzen. Die Exkursion hat maßgeblich dazu beigetragen, Erinnerung, Politik und Versuche der Vergangenheitsbewältigung miteinander in Beziehung zu setzen und Denkanstöße zu geben. Sicherlich werden die SeminarteilnehmerInnen im laufenden Semester noch zahlreiche intensive und interessante Diskussionen rund um Erinnern und Vergessen führen.
(von Katharina E. Scheffner, April 2013)