Vortrag von Prof. Dr. Miriam Llamas Ubieto – Complutense-Universität Madrid
»Literatura de la era (post)digital: entre globalización y tecnoestética«
Bamberger Vorträge zum Literatur- und Kulturtransfer
Vortrag im Rahmen der Internationalen Woche der Universität Bamberg
Am 03. Juli 2018 fand im Rahmen der Lehrveranstaltung »Urbanitätskonzepte in Lateinamerika: Literatur und Medien« ein Gastvortrag in spanischer Sprache von Frau Prof. Dr. Llamas Ubieto der Complutense-Universität Madrid zum Thema »Literatura de la era (post)digital: entre globalización y tecnoestética« statt. Frau Llamas Ubieto folgte einer Einladung der Professur für Romanische Literaturwissenschaft / Hispanistik, die den Studierenden u.a. regelmäßig die Möglichkeit gibt, hochwertigen und studienrelevanten Vorträgen von internationalen und international bekannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beizuwohnen.
Prof. Dr. Llamas Ubieto lehrt und forscht am Institut für Germanistik der Fakultät für Philologie an der Complutense-Universität in Madrid. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf Literatur- und Kulturtheorien (Fokus: Inter- und Transkulturalität, Globalisierung), Deutscher Literatur und Kultur vom 19. bis 21. Jahrhundert, »Digital Humanities« sowie auf deutsch-spanischen Beziehungen. In ihrem Vortrag thematisiert sie die Positionierung der Literatur im digitalen Zeitalter sowie die Bedeutung digitaler Literatur. Weiterhin behandelt sie die zunehmende Digitalisierung durch die globale Verbreitung des Internets sowie die Globalisierung als transkulturelles Phänomen.
Nach der Begrüßung durch Herrn Prof. Dr. Rodrigues-Moura beginnt Frau Prof. Dr. Llamas Ubieto den Vortrag mit der zeitlich-epochalen Einordnung des Begriffs era (post)digital. Das Aufkommen des Computers in den 1960er Jahren legte den Grundstein für das stetige Voranschreiten technologischer Entwicklung. Besonders das 21. Jahrhundert ist geprägt von (neuen) Technologien, Digitalisierung und der globalen Informationsverbreitung, -verarbeitung bzw. Abrufs derselben. Ca. seit der Jahrtausendwende ist nicht mehr von der era digital sondern von der era postdigital die Rede.
Das Jahr 2004 ist markiert durch den Wechsel vom Analogen zum Digitalem. Seit diesem Jahr steigt die Expansion der Smartphones rasch an und Begriffe wie das »Internet 4.0« kennzeichnen das Vorhandensein von Informationen als digitale Daten. Als weitere Beispiele für die era postdigital werden auch google books, google earth / maps oder Facebook genannt. In Bezug darauf nennt Frau Llamas Ubieto das heutzutage immer häufigere Bedürfnis der Menschen mit bzw. durch die digitale Welt zu interagieren, wobei als Schlagwörter mitunter »mainstream« oder das Smartphone genannt werden.
Die zunehmende Digitalisierung der Alltagsebene, also den Einfluss neuer Technologien auf das Alltagsleben, macht die Welt zunehmend komplexer aber auch »kleiner«. Alle Informationen können durch das Internet schnell nachgeschlagen, recherchiert oder verbreitet werden. Dabei werden analoge Informationen (wie Bücher) in digitale »übersetzt«, indem sie durch googlebooks oder das Projekt Gutenberg digital abrufbar werden. Die Ungleichzeitigkeit der Begriffe »digital« und »analog« veranschaulicht Miriam Llamas Ubieto mit einem Bild betitelt mit »You’re not a real hipster – until you take your typewriter to the park«. Neben der veränderten Informationsverbreitung geht sie auch auf die Veränderung des Menschen an sich durch die Technologien ein und nennt das Beispiel des Cyborgs, der eine – bisher utopische – Mischung aus Mensch und Technik als Einheit präsentiert.
Zum allgemeinen Verständnis geht Prof. Dr. Llamas Ubieto genauer auf das Präfix post ein, wie es bei der era postdigital zu verstehen ist. Sie differenziert es von der Verwendung, wie sie beispielsweise bei Postkolonialismus oder Postmoderne zu verstehen ist. Hierbei ist es als Merkmal für eine neue Epoche zu verstehen, die sich von der vorausgehenden Ära deutlich abgrenzt. Zwar markiert die era postdigital auch den Beginn einer neuen Epoche, jedoch basiert sie gänzlich auf der era digital. Das Präfix signalisiert allein, dass es in der neuen Epoche verschiedenste Dinge und Entwicklungen gibt, die es in der digitalen Ära nicht gab, welche aber auf ihr basieren. Das Präfix meint in diesem Fall keinen Kontrast verschiedener Zeiteinteilungen, sondern deren unmittelbare Verbindung.
Neben der digital vorhandenen Literatur (z.B. E-Books) thematisiert Frau Llamas Ubieto auch die literatura digital. Synonym können auch die Begriffe electronic literature (e-lit), Netzliteratur oder literatura electrónica digital verwendet werden. Kennzeichnend für diese Netzliteratur ist, dass sie sowohl mit als auch für digitale Geräte geschaffen wird. Der Entstehungs- und der Nutzungsraum sind identisch, auch wenn diese neue Möglichkeit(en) neue Fragen bezüglich des ästhetischen Wertes aufwerfen. Eine dieser neuen Möglichkeiten ist beispielsweise, dass Literatur nicht mehr nur durch isoliert arbeitende Individuen entsteht, sondern verschiedene Personen oder Gruppen am Schaffensprozess beteiligt sind (wie z. B. bei Fanfiction).
Außerdem erwähnt sie, dass trotz zunehmender Digitalisierung und Technologisierung die Menschen paradoxerweise insgesamt mehr lesen. Dies bezieht sich jedoch nicht nur auf das Medium Buch, sondern allgemein auf die aufgewendete aktive Lesezeit, also auch das Lesen von E-Mails, Facebook oder Chatverläufen bei WhatsApp. All dies wird mit einberechnet und führt somit zu einem allgemeinen Anstieg der Zeit, die mit dem Lesen verbracht wird.
Hinsichtlich einer sich stets verändernden Welt bespricht Prof. Dr. Llamas Ubieto weiterhin den Begriff »Globalisierung« und seine Bedeutung. Globalisierung, sowie auch Technologisierung, stehen häufig im Diskurs. Sie kann im Sinne einer imperialistischen Expansion gesehen werden, die mehr und mehr an Einfluss und Bedeutung gewinnt. Der globalización stellt sie den Begriff glocalización gegenüber. Dieser ist ein Neologismus und die Mischung der Wörter global und local. Obwohl beide Wörter gegensätzliches meinen, fungieren sie hier als Einheit. In ihrem Vortrag erklärt sie die Glokalisierung damit, dass verschiedene kulturelle Gewohnheiten, Spezialitäten, Nahrungsmittel etc. zwar in die Welt expandieren, aber dennoch überall lokal vorhanden sind, beispielsweise Sushi in einem japanischen Restaurant, welches in fast jeder größeren Stadt zu finden ist. Insgesamt führt dies zu kultureller Hybridisierung. Die Globalisierung als transkulturelles Phänomen kann als bestehende und fortschreitenden Entwicklung in ihrem expansiven Sinn, als großes Netz von Verbindungen und Zusammenschlüssen und als Verbreitung von kulturellen Erzeugnissen.
Werden nun Globalisierung und Internet in einen Zusammenhang gesetzt, so nennt Frau Prof. Dr. Llamas Ubieto verschiedene Ideen in Bezug auf das Internet. Zuvor aber verdeutlicht sie mit einer Graphik den stetigen und auch starken Anstieg der Internetnutzung beginnend im Jahr 1970 bis 2018. Zunächst kann das Internet in seiner ursprünglichen Wortbedeutung als interconnected network gesehen werden, also als ein Netzwerk verschiedener Kontakte. Auch kann es verglichen werden mit einem Speicher menschlichen Wissens. Während die Menge des abrufbaren Wissens beim Individuum sinkt, wächst die Menge des abrufbaren Wissens im Internet beständig an. Informationen sind permanent abrufbar und durch ihre Speicherung auf mehreren Servern weltweit quasi unlöschbar. Durch das Handy als digitales Medium verbinden sich Menschen immer mehr häufiger mit dem Internet und somit mit der ganzen Welt, wobei sich durch die (scheinbare) sofortige Erreichbarkeit jedes beliebigen Ortes auf der Welt auch das eigene Weltbild mitverändert.
Diese Veränderungen, Entwicklungen und Fortschritte in der Technologie bringen auch verschiedene Fragen, u.a. hinsichtlich ihres ästhetischen Werts mit sich. Diese tecnoestética beginnt mit dem Kreativitätsprozess und erhöht das Einfühlungsvermögen der Nutzerschaft für digital geschaffene oder digitalisierte Kunstwerke auf ästhetischer Ebene. Die Verbindung aus Globalem, Digitalem und Literatur führt zur Frage nach einer globalen Leserschaft, wobei das Schreiben auf Englisch ein größeres Publikum erreicht, als beispielsweise Spanisch oder Deutsch.
Abschließend verdeutlich Prof. Dr. Llamas Ubieto verschiedene Inhalte des Vortrags durch einige Beispiele. Durch das Internet und die Digitalisierung ist es möglich interlinguistische Spiele, wie etwa »tanGo«, zu entwickeln und zu nutzen. Bereits der Name zeigt die interlinguistische Verknüpfung durch den Bestandteil Go als englisches Verb und in diesem Fall zugleich eine Aufforderung und dem Tango als Tanz, der sowohl in Argentinien als auch Uruguay kulturell von Bedeutung ist. Das gleiche Wort kann und soll auf unterschiedliche Weisen betrachtet und ausgelegt werden. Weiterhin zeigt sie Belén Gaches El idioma de los pájaros, denn es zeigt die Unmöglichkeit alle singenden bzw. „sich unterhaltenden“ Vögel zu verstehen. Dies spiegelt auch die Vielzahl an Sprachen oder Inhalten in digitalen Medien wieder, die in ihrer Größe nicht mehr fassbar sind. Zuletzt soll noch auf Gustavo Romanos IP Poetry eingegangen werden. In diesem Projekt sind Roboter mit dem Internet verbunden. Ein auf Bildschirmen sichtbarer Mund bewegt sich während der Artikulation bei der die gefunden Resultate der Suchergebnisse vorgelesen werden. Somit ist dieses Vorgehen eine Verbindung aus Realität und Digitalität, Mensch und Maschine.
Frau Prof. Dr. Miriam Llamas Ubieto hat für das Publikum einen sehr informativen und durch die mit Bildern und Beispielen bestückte Präsentation einen sehr anschaulichen Vortrag gehalten. Da besonders Romanistik-Studierende mit der Studiensprache Spanisch die Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura besuchen, war es den Teilnehmende gut möglich der Referentin zu folgen, da auch das sprachliche Niveau den universitären Anforderungen entsprach. Neben der Literatur im digitalen Zeitalter sowie der literatura digital wurde Literatur und ihre Bedeutung in Bezug zu Globalisierung und Digitalisierung vorgestellt, zugleich der Mensch als Individuum in Interaktion mit der digitalen Welt in diesem weiträumigen Betrachtungsfeld fokussiert. Schließlich wurde dem gesamten Publikum viele neue und interessante Informationen durch den Vortrag von Frau Prof. Dr. Llamas Ubieto vermittelt, der eine abwechslungsreiche Ergänzung zur Lehrveranstaltung darstellt.
(von Florian Rampel, Juli 2018)