Vortrag von Mats Pfeifer (Universität Bamberg)
»Reconquista« oder »Convivencia«? Die Deutung christlich-islamischer Kontakte auf der Iberischen Halbinsel im Wandel
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies im Rahmen der Internationalen Woche der Universität Bamberg
Die beiden modernen Begriffe »Reconquista« und »Convivencia« sind untrennbar mit der – wissenschaftlichen, politischen wie populären – Auseinandersetzung mit den über 700 Jahre währenden friedlichen wie feindlichen Kontakten zwischen Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter verbunden. Nicht zuletzt stehen sie dabei als miteinander unvereinbar erscheinende Gegensätze – christlich gerechtfertigte Rückeroberung auf der einen, gleichberechtigtes Zusammenleben und -wirken dreier Religionen auf der anderen Seite – auch stellvertretend für die zum Teil nationalistischen, idealisieren-den oder anachronistischen Erklärungs- und Deutungsmuster, die moderne BeobachterInnen in den letzten gut 200 Jahren für die mittelalterliche Geschichte und damit auch die Identität Spaniens gefunden haben. Diese stehen in einem starken Kontrast zu den von einer Kultur der Ambiguität und kontextbedingten Darstellungen geprägten Deutungen der Zeitgenossen, die keine festen Begriffe für die Beschreibung der gegenseitigen Beziehungen kannten. Gleichzeitig besitzen die Schlagworte »Reconquista« und »Convivencia« bis zum heutigen Tag eine hohe politische Relevanz, Präsenz und Aktualität und sind darüber hinaus nicht von ihren historischen Zuschreibungen zu trennen. Wir werden uns den vielschichtigen und komplexen mittelalterlichen Prozessen daher von den bei-den für ihre Beschreibung verwendeten Begrifflichkeiten und den damit verbundenen Begriffs- und Konzeptgeschichten aus nähern und uns dabei unter anderem mit den Fragen beschäftigen, ob die dahinterstehenden Gedanken nicht vielmehr zwei Seiten einer Medaille darstellen, ob eine Verwendung der Begriffe »Reconquista« und »Convivencia« in der heutigen Forschung überhaupt noch wünschenswert ist und welche Gefahren damit verbunden sein können.
Alle Interessierten sind sehr herzlich eingeladen!
gez. Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura