Vortrag von Marc Puszicha, M.A.
»Die Gegenwärtigkeit des Vergangenen: das Bürgerkriegstrauma im Film La caza (1966) von Carlos Saura«
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies
Am 6. November 2018 fand im Rahmen der Lehrveranstaltung »Erinnerungskulturen auf der iberischen Halbinsel: Literatur und Medien« ein Gastvortrag statt, der von der Professur für Romanische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Hispanistik organisiert wurde. Der Referent, Marc Puszicha, M.A., studierte an der Universität Mainz Filmwissenschaft und Mediendramaturgie. Schwerpunktmäßig setzt er sich mit Kinematographien aus dem hispanophonen Sprachraum, psychoanalytischer Filmtheorie und allegorischen Strukturen im Film auseinander. Nun promoviert er an der Universität Bamberg mit einer Arbeit zu Historizität und Vergangenheitsbewältigung im spanischen Kino. In Anlehnung daran thematisierte er in seinem Vortrag besonders die Darstellung des Bürgerkriegstraumas im Film La Caza von Carlos Saura aus dem Jahre 1966, der zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Bürgerkriegsthematik anregt und bis heute zu den bedeutendsten Filmen der spanischen Kinematographie zählt.
Nach einer kurzen Einführung durch Prof. Rodrigues-Moura begann Herr Puszicha seinen Vortrag mit einem Überblick über die spanische Filmgeschichte ab dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) und der Folgezeit unter dem Franco-Regime. Dabei betonte er die Neuerungen des Nuevo Cine Español, einer kinematographischen Erneuerungsbewegung, die sich während der als apertura bezeichneten Liberalisierungsphase in den 1960er Jahren im franquistischen Spanien etablieren konnte und von einer neuen künstlerischen Freiheit der Regisseure und einer sich langsam lockernden Zensur geprägt war.
Einem dieser Regisseure, Carlos Saura, ist es gelungen, trotz staatlicher Zensur anspruchsvolle Sozial- und Gesellschaftskritik zu üben. Mit seinen zahlreichen Projekten, darunter auch der im Vortrag thematisierte Film La Caza, den er mit einer unterschwelligen, nicht direkt greifbaren Kritik am Franco-Regime versah, die er in Symbolen, Metaphern und Metonymien umsetzte, wurde Saura schon bald zum Aushängeschild antifranquistischer Kunst. Dreizehn Produzenten lehnten seinen Drehbuchentwurf zunächst ab, bis Saura in Elías Querejeta einen Unterstützer fand und die nötige Teilfinanzierung für die Umsetzung seiner Filmidee erhielt.
In La Caza kehren befreundete Veteranen für einen gemeinsamen Jagdausflug an einen Ort in Kastilien zurück, wo sie selbst während des Spanischen Bürgerkriegs auf Seite der Franquisten gekämpft hatten. Im Verlauf der Handlung entstehen zunehmend Spannungen in der Gruppe, die Situation spitzt sich immer weiter zu und endet schließlich im Tod der drei Veteranen, was als Art Reinszenierung oder Reenactment der Kriegshandlungen zu verstehen ist und psychoanalytisch als Wiederholungszwang, der auf die offenen Wunden des Kriegs verweist, interpretiert wird.
Nach einer inhaltlichen Zusammenfassung und Klärung der Figurenkonstellationen im Film, fokussierte Herr Puszicha im weiteren Verlauf den wesentlichen Aspekt der Landschaft, die bis heute sichtbare Spuren des Bürgerkriegs trägt und auf diese Weise die Gegenwärtigkeit des Vergangenen akzentuiert. Er veranschaulichte besonders, inwiefern die Topographie im Film die seelischen Wunden des Kriegserlebens und die verdrängte Erinnerung der Protagonisten widerspiegelt und betonte, dass die Belastung der kollektiven Psyche zwangsläufig mit der Landschaft verbunden ist. Das weite und offene Gelände wirkt auf die Protagonisten deshalb klaustrophobisch, weil sie nicht in der Lage sind, ihrer Vergangenheit zu entfliehen. Durch die Rückkehr an den Ort des Kriegsgeschehens, wird ihre Illusion einer sicheren Distanz komplett zerstört. Die fortschreitende Akkumulation von vergangenen und aktuellen Konflikten der Veteranen führt schließlich dazu, dass sie durch fehlende Verarbeitung ihrer Traumata in alte Muster verfallen.
In seinen weiteren Ausführungen ging Herr Puszicha auf die zahlreichen (Tier-)Metaphern und Metonymien ein, die Carlos Saura in La Caza verwendet, um die kriegerischen Auseinandersetzungen im Bürgerkrieg, besonders aber das sinnlose Massaker, implizit zu kritisieren. In diesem Kontext verwies Herr Puszicha insbesondere auf die Szenen der Hasenjagd im Film, bei denen es sich um dokumentarische Aufnahmen handelt.
Im zweiten Teil seines Vortrags zeigte Herr Puszicha zwei zentrale Filmausschnitte, unter anderem die bereits erwähnte Szene der Hasenjagd, um seine theoretischen Ausführungen zu veranschaulichen. Mithilfe der Filmszenen analysierte und demonstrierte er beispielhaft die verschiedenen künstlerischen Strategien, die während der apertura entwickelt wurden, um den vom Franco-Regime eingeforderten Umgang mit dem Spanischen Bürgerkrieg zu unterwandern. Die Filmausschnitte, die das Interesse der Studierenden noch einmal ganz besonders geweckt hatten, gaben Anlass zu einer abschließenden, interessanten Diskussion.
(von Julia Treubel, November 2018)
Marc Puszicha, M.A., promoviert an der Universität Bamberg mit einer Arbeit zu Histori-zität und Vergangenheitsbewältigung im spanischen Kino. Er studierte Filmwissen-schaft/Mediendramaturgie an der Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kinematographien aus dem hispanophonen Sprachraum, psychoanalytische Filmtheorie und allegorische Strukturen im Film.
Alle Interessierten sind sehr herzlich eingeladen!
gez. Prof. Dr. Enrique Rodrigues-Moura