Lehre

Wintersemester 2024/25

VL/Ü: Medien des Fantastischen. Texte, Räume, Utopien

(für Romanistik und Germanistik und alle Interessierten)

Das Fantastische als literarische Strömung seit der Romantik wird allgemein als Reaktion auf Entwicklungen der Aufklärung und der Rationalität gedeutet. Zugleich lässt sich mit Blick auf Mythen, Sagen und Fabeln auch eine größere, mindestens bis in die Antike zurückreiche Tradition benennen, die mit dem menschlichen Glauben an das Wunderbare, Übersinnliche in Verbindung steht. Insgesamt ist das Fantastische jedoch nicht auf bestimmte Weltannahmen reduzierbar, sondern ein relationaler Begriff, der die Beschaffenheit von ‚Realität‘ verhandelt. Auf beide Aspekte – Rückbesinnung auf ältere Traditionen, Praktiken und Archetypen einerseits, Freisetzung der Imagination in der Fiktion andererseits – beziehen sich viele Erzählerinnen und Erzähler der europäischen Romantik.

Auch heute sind fantastische Themen, Stoffe und Motive in vielen Bereichen der Künste und der Alltagskultur anzutreffen. Dabei begegnet das (Neo-)Fantastische öfters als imaginäre, durch technische Möglichkeiten bis zur Immersion gesteigerte Alternativwelt, z.B. durch virtuelle Erschaffung neuer Welten. Die in der Romantik geprägten oder aktualisierten Motive wie fantastische Tiere, Elementargeister oder künstliche Menschen sowie Affekte und Gefühlswelten wie der Rausch, der Traum oder das Unheimliche sind in modernen Darstellungsformen und Erzählformaten vielfach präsent. Daher fragt die Vorlesung nach dem Verhältnis zwischen Romantik und neueren Genres und Medien des Fantastischen. Wie verhält es sich mit dem poetischen, kritischen und ‚ironischen‘ Potenzial, das viele romantische Texte und Kunstwerke in der Rede vom Fantastischen mit sich führen, in neueren medialen Transfers und Übersetzungen? Wie sind die nach 1945 entstandenen Theorien fantastischer Literatur in einer medienvergleichenden Perspektive heute zu bewerten? Wie aktualisieren technisch basierte Medien die romantische Rede vom Fantastischen, welche Rollen spielen darin Körperlichkeit und Geschlecht oder auch das globale Zusammenleben in Zeiten planetarischer Krisen? Ist das Fantastische eine Möglichkeit, mit Erfahrungen umzugehen, die die räumlich vorstellbare Dimension übersteigen? Welche Verwandlungstechniken und Grenzüberschreitungen, z.B. von Körper, Geschlecht, Raum und Zeit, werden in Medien des Fantastischen und in Figuren der Fantastik und Science Fiction (wie z.B. Doppelgängern, Cyborgs, Avataren) denkbar, und was ist daran das utopische oder dystopische Potenzial?

Die Vorlesung gibt eine Einführung in die Rede vom Fantastischen in der Moderne (19. bis 21. Jahrhundert). Zu Beginn wird ein Schwerpunkt bei der Romantik liegen, etwa dem – teilweise in Bamberg verfassten und publizierten – Erzählwerk E.T.A. Hoffmanns, das oft als eine Art Grundlegung einer europäischen fantastischen Literatur beschrieben wird. Die Vorlesung verortet außerdem Literatur in einem größeren interdisziplinären und intermedialen Rahmen und bezieht kultur- und medienwissenschaftliche Fragestellungen, z.B. zur Übertragung zwischen Literatur und anderen Künsten (bildende Kunst, Musik, Design, u.a.) und Medien (Film, Virtual Reality, Holographie, u.a.), mit ein. Einige Anteile der Lehrveranstaltung wie die Vermittlung größerer Zusammenhänge erfolgen im klassischen Vorlesungsformat; für konkrete Fallstudien und Beispiele ist hingegen ein gemeinsames Arbeiten und Diskutieren angedacht, bei dem zentrale methodische Kompetenzen wie Themenfindung, Thesenbildung und (Werk-)Analyse im wechselseitigen Bezug von Literatur und Medien erprobt und vertieft werden können.