Gastvortrag Dr. Ibon Zubiaur (Getxo/Berlin)
»Wie man Baske wird – Die Schaffung eines Narrativs«
Bamberger Vorträge zu Iberian Studies
Bamberg, am Montag, 30. November 2015.
Am 30. November 2015 organisierte die Professur für Romanische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Hispanistik einen Gastvortrag mit dem Titel »Wie man Baske wird – Die Schaffung eines Narrativs« im Rahmen der Lehrveranstaltung »Iberische Erinnerungskulturen«. Zum Vortrag des freien Autors und Übersetzers Dr. Ibon Zubiaur (Getxo/Berlin), der in deutscher Sprache stattfand, erschienen zahlreiche Studierende wie Dozierende.
Der Baske Ibon Zubiaur, der seit 2002 in Deutschland lebt und bereits in den Jahren 2000 und 2001 Deutschkurse in Bamberg besucht hatte, sprach am vergangenen Montagabend im Rahmen der Lehrveranstaltung »Iberische Erinnerungskulturen« in Anknüpfung an die Thematik seines kürzlich veröffentlichten Essaybands Wie man Baske wird – Die Schaffung einer exotischen Kultur (Berlin: Berenberg 2015) aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel über die baskische Identität und deren Exotisierung. Er selbst musste die baskische Sprache erst in der Schule erlernen – in seinem Elternhaus wurde, wie in etwa 80% der baskischen Haushalte, Spanisch gesprochen. Dennoch bezeichnet sich Zubiaur, wie er mit Nachdruck betonte, selbst ohne Einschränkungen als Baske.
Nach einer kurzen Vorstellung des Gastredners durch Prof. Dr. Rodrigues-Moura und einigen einführenden Worten zur Thematik widmete sich Ibon Zubiaur zunächst literaturwissenschaftlichen Theorien, dem Begriff »Narrativ«, den er als konstruierten politischen Diskurs mit eigener Entstehungsgeschichte definierte, und schließlich dessen enormer Bedeutung in den geisteswissenschaftlichen Diskursen der Gegenwart. Auch ging er auf die große Bedeutung des Endes der franquistischen Diktatur als Zäsur für zeitgenössische Denkweisen und Strömungen innerhalb Spaniens ein und betonte besonders, dass das franquistische Narrativ im Baskenland inzwischen restlos von einem nationalistischen Modell überlagert bzw. ersetzt worden sei.
In seinem autobiographisch ausgerichteten Werk berichtet Zubiaur davon, wie er selbst es erlebte, Teil der Generation zu sein, die von diesem Paradigmenwechsel direkt betroffen war und erläuterte in diesem Zusammenhang auch, wie er selbst die »Erziehung zum Basken« empfand. Diesbezüglich gab er zu bedenken, dass noch vor wenigen Jahren die Veröffentlichung eines solchen kritischen Werkes zur Dekonstruktion der baskischen Identität undenkbar gewesen wäre; zu groß sei die Gefahr für die (körperliche) Unversehrtheit der Kritiker gewesen. Das erklärte Ziel des Autors war, sowohl beim Vortrag als auch in seinem Buch, das nationalistische Narrativ bzw. die baskische Identitätskonstruktion, die unter anderem von einer Vielzahl literarischer Publikationen, aber auch durch (auto-)biographische Texte genährt wird, nach allen Regeln der Kunst anhand von persönlichen Erfahrungen, die Zubiaur jedoch durchaus für repräsentativ hält, zu dekonstruieren.
So las der Autor und Übersetzer zur Verdeutlichung des vorher Skizzierten mehrere Passagen aus dem kürzlich veröffentlichten Band, die er zusätzlich kommentierte. Hierbei konzentrierte er sich exemplarisch auf ein Kapitel mit dem Thema Geschichte, in dem auf durchaus polemische Art und Weise von der Umbenennung von Orten oder Stadtteilen des Baskenlandes zur Schaffung und Aufrechterhaltung des mythischen Baskentums berichtet wird, sowie auf ein Kapitel zum Thema Schule. In diesem zentralen Kapitel erzählt der Autor lebhaft von seiner Rolle als »Versuchskaninchen« im »kollektiven Experiment« eines baskischsprachigen Schulsystems, in dem alle Fächer (abgesehen von »Spanischer Sprache und Literatur«) auf Baskisch unterrichtet werden sollten – obwohl weder Schüler noch Lehrer über hinreichende Sprachkenntnisse verfügten oder für einige Teilgebiete der Schulfächer neues Fachvokabular auf Baskisch erst erfunden werden musste. Zubiaur betonte an dieser Stelle, dass Unterricht auf Baskisch heutzutage vollkommen normal sei, dieser Sprach- und Paradigmenwechsel für seine Generation jedoch durchaus einen gravierenden Einschnitt bedeutet habe.
Der Gastvortrag schloss mit einer ausgedehnten Fragerunde und einer sehr angeregten Diskussion, in der beispielsweise über Alternativen zur Schulreform oder auch über den Sonderstatus des Baskenlandes gegenüber anderer Regionen, in denen Minderheiten- bzw. Regionalsprachen gesprochen werden, reflektiert wurde. Der Vortragende betonte dabei generell die Notwendigkeit, immer auch in politischen Alternativen zu denken. Abschließend gab Zubiaur den Anwesenden noch zu bedenken, dass diese, wenn auch künstliche, Zweisprachigkeit für ihn trotz all der Kritik, die er an ihr übe, viele Vorteile gehabt habe und er durchaus, gerade was den Umgang mit Fremdsprachen angehe, davon profitiert habe.
(von Florian Lützelberger, November 2015)