Nachruf auf Professor Dr. Wolfgang Theile (28.01.1937-13.07.2018)
Professor Dr. Wolfgang Theile wurde am 28.1.1937 in Elsterwerda (Niederlausitz) geboren und starb am 13. Juli 2018 in Ravensburg. Nach dem Abitur 1958 in Wuppertal studierte er ab 1958 Romanistik und Anglistik in Marburg, Caen, Tübingen und Perugia, abgeschlossen mit dem Staatsexamen, wurde Theile 1965 bei Kurt Wais mit einer Analyse der Dichtung und der theoretischen Schriften von René Ghil promoviert. Für den Tübinger Lehrer Kurt Wais gab Theile 1983 gemeinsam mit dem Regensburger Romanisten Johannes Hösle und dem Mainzer Kollegen Dieter Janik den Band Europäische Literatur im Vergleich: gesammelte Aufsätze heraus. 2004 beteiligte Theile sich mit zwei Fallstudien u.a. zu Kurt Wais an der Debatte um „Deutsche Romanistik im Dritten Reich“ (Romanistik in Geschichte und Gegenwart 10, 2004, 139–68). Als Wiss. Assistent in Mannheim habilitierte Theile sich 1972 bei Prof. Huber ebenda, vertrat die Professur von Walter Mönch 1973 bis 1974/75 in Tübingen und wurde 1977 zum apl. Professor in Mannheim ernannt.
Am 1. Juli 1978 übernahm Wolfgang Theile den Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaften an der Fakultät Sprach- und Literaturwissenschaften der Gesamthochschule Bamberg (ab 1979 umbenannt in Universität Bamberg), wo er sogleich bis 1980 Dekan wurde, zwischen 1980 und 1984 wirkte er als Mitglied des Senats und übernahm bis zu seiner Emeritierung im März 2002 auch auswärtige Funktionen, bspw. 1991/92 als Mitglied des Promotionsausschusses der Hochschule Zwickau und 1992–93 als Mitglied des Gründungsausschusses der Universität Erfurt.
Das Werk von Wolfgang Theile ist mit den Autoren Racine und Goldoni verknüpft, so mit seiner Studie Die Racine-Kritik bis 1800: Kritikgeschichte als Funktionsgeschichte (München 1974), die Rezeptionsgeschichte als Geschichte der Theaterkritik verstand. Es folgte im selben Jahr eine Sammlung aktueller Racine-Forschungen in der Wiss. Buchgesellschaft und 1977 im selben Verlag ein Goldoni-Buch, im Jahr der Emeritierung ein Band mit gesammelten Aufsätzen zum italienischen Theaterautor, herausgegeben von Irmgard Scharold, seit den 1980er Jahren erweiterte sich Theiles Forschungsfeld auf mehrere Bände zur Commedia dell’Arte. Im Jahr 1980 erschien mit Immanente Poetik des Romans eine Analysereihe exegetischer Modelle vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, die die Selbstreflexion in den Erzählstrukturen von Romanen Scarrons und Diderots bis zu Robbe-Grillet, Cortázar und García Marquez diskutiert. Theile folgerte:
„Wenn Dichtung nicht nur gefällig, erhebend, rührend funktioniert, sondern poetisch, d.h. Verstehen und Veränderung als Möglichkeiten einschließend oder, anders gesagt, als eine besondere Erkenntnisleistung, dann begreift sie notwendigerweise die gegebene Wirklichkeit als einen Affront, von dem man sich abgrenzen, sogar sich absetzen und woraufhin man sich besinnen muß. Von daher erklären sich die beiden Grundhaltungen der Dichtung, ihre Widerständlichkeit und ihr Aufsichbezogensein. ‚Immanente Poetik‘ ist das Organ, durch das der Vorgang des Experimentierens mit der Dualität von Geist und Gegenstand, durch das der Prozeß des Herantastens an die Grenze des ‚Unverfügbaren‘ (Blumenberg) erkennbar wird.“ (S. 9)
Professor Dr. Wolfgang Theile verstarb am 13. Juli 2018. Unser aufrichtiges Beileid gilt seiner Ehefrau Helga Theile, M.A., der Familie mit den vier Enkelkindern. Das Institut für Romanistik ist dem Kollegen für 22 Jahre engagierter Arbeit in Bamberg zu Dank verpflichtet und bewahrt ihm stets ein ehrendes Andenken.
Kai Nonnenmacher im Namen des Instituts