Mietshaus und Mietwohnung vor 1800

Inhalt und Ziele

In Fachkreisen wird von den alten Häusern, die heute häufig Baudenkmäler sind, als „Bauernhaus“ oder „Bürgerhaus“ gesprochen. Das erzeugt die Vorstellung, dass unsere Vorfahren in vorindustrieller Zeit allesamt Bauern oder Bürger waren, in jedem Fall aber in ihrem Eigentum wohnten, egal wie groß oder klein ein solches Wohngebäude auch sein mochte. Dabei waren schon die Bürger und Bauern keine homogene Gruppe, was gelegentlich als Erklärung für den heterogenen Altbaubestand dient. Fast vollständig vergessen scheint dagegen, dass es neben der Schicht der Hauseigentümer, egal ob in der Stadt oder auf dem Land, eine Bevölkerungsgruppe gab, die nicht über Wohneigentum verfügte, sondern sich dauerhaft eine Unterkunft mieten musste. Da es ein Wechselspiel zwischen Nachfrage und Angebot gibt und gab, existiert neben dem „Bauern- und dem Bürgerhaus“ eine dritte Gruppe, das Mietshaus, und das nicht erst seit den gründerzeitlichen „Mietskasernen“. Das alte duale Begriffspaar ist brüchig und schablonenhaft, denn das Mietshaus existierte nicht nur neben dem Bauernhaus und Bürgerhaus, vielfach waren Mietwohnungen sogar integraler Bestandteil eines vom Bauern oder Bürger selbst bewohnten Hauses. Welcher Begriff passt da eigentlich auf die Häuser in den Kleinstädten, wo der Bürger zugleich Bauer war und zudem noch sein Haus voll Mieter hatte? Handelt es sich um ein Ackerbürgermietshaus oder ein Zinsbauernbürgerhaus? 


Ziel dieser Arbeit ist es, die Entwicklung und Verbreitung der Mietwohnung, beziehungsweise des Mietshauses, exemplarisch für ein ausgewähltes Gebiet im Verlauf der Neuzeit darzustellen. Der Schwerpunkt liegt in der Architekturgeschichte. Die Untersuchung soll die Bedeutung des Mietshausbaus bereits vor der Industrialisierung Deutschland im 19. Jahrhundert aufzeigen. Aus diesem Grund steht am Anfang der Arbeit die Auseinandersetzung mit Bevölkerungszahlen und Statistiken. Da die Forschung hierzu bisher nur rudimentär erfolgt ist, wird versucht, möglichst viele Zahlen zu Mieterhaushalten im Untersuchungsgebiet zusammenzutragen. Die ermittelten Daten sind weder räumlich noch zeitlich vollständig und können auch aus diesem Grund nur mit Vorbehalt auf andere Regionen übertragen werden. Dennoch ergibt sich anhand der vielen Einzelzahlen ein deutliches Bild: In vielen Teilen Frankens, egal ob Stadt oder Land, stellten die Mieter einen nennenswerten Anteil an der Gesamtbevölkerung.
Darüber hinaus werden sozial- und wirtschaftshistorische Forschungsergebnisse nach Möglichkeit berücksichtigt, die Ergebnisse aus diesen Bereichen jedoch in der Regel nur kurz zusammengefasst.

Fragestellungen:

  • Wie groß ist der Anteil der Mietbevölkerung vom 16.-18. Jahrhundert absolut?
  • Bleibt der Anteil der Mietbevölkerung im Lauf der Jahrhunderte konstant?
  • Wie verteilt sich die Mietbevölkerung im ländlichen Bereich, gibt es Siedlungsschwerpunkte?
  • Aus welchen Sozial- und Berufsgruppen stammen die Mieter?
  • Welchen Anteil haben die Untermieter innerhalb der Mietbevölkerung?
  • Wie viele Personen wohnen in einer Wohnung oder in einem Haus?
  • Worin unterscheidet sich eine Mietwohnung von einem selbstgenutzten Haus?
  • Wie drückt sich das Mietwohnen baulich aus?
  • Lassen sich anhand der Quellen Typologien zur Mietwohnung und zum Mietshaus feststellen/bilden?
  • Verändert sich die Form der Mietunterkunft vom 16.-18. Jahrhundert?
  • Existieren strukturelle bauliche Eigenheiten im Mietwohnungsbau, die eine Zuordnung als Mietwohnung/ Mietobjekt jenseits schriftlicher Quellen erlauben?
  • Wie sehen Mietwohnungen im Detail aus?
  • Wie wird in einer Mietwohnung gelebt?
  • Welche Größe und welchen Komfort boten die Mietwohnungen?
  • Welche Baumaterialien, Bautechniken und Gestaltungsweisen wurden angewendet?
  • Unterschieden sie sich in der Bauweise von anderen ländlichen Wohngebäuden?
  • Können die Ergebnisse auf andere Regionen übertragen werden?

Methode

Im Hinblick auf den architekturgeschichtlichen Schwerpunkt dieser Arbeit, stehen die Grundrisse der einzelnen Wohneinheiten und Gebäude sowie die baulichen Strukturen im Fokus. Darüber hinaus werden auch räumliche, beziehungsweise städtebauliche, Strukturen mit einbezogen.
Ein wichtiger Teil der Untersuchung bezieht sich auf die Erforschung der verwendeten Baumaterialien und Bautechniken, Da die dörflichen Handwerker überwiegend zur Miete wohnten, sind in diesem Fall die Ausführenden identisch mit den Bewohnern.
Die Untersuchungen werden durch die Erschließung zugehöriger archivalischer Quellen ergänzt. Dies hat sich als unerlässlich erwiesen, um ein Gebäude eindeutig als Mietshaus identifizieren zu können, und berührt vermutlich auch einen entscheidenden Punkt, warum die architekturhistorische Forschung dem Thema des frühen Mietwohnungsbaus bisher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat: Nur anhand einer ausreichenden Anzahl eindeutig identifizierter Mietshäuser kann diese Bauaufgabe überhaupt wissenschaftlich diskutiert werden. Ohne die entsprechende Verknüpfung des Baubestandes mit den archivalischen Informationen bleiben jedoch viele Mietbauten in ihrer historischen Funktion unerkannt und in ihrer Struktur und ihrem Wesen unverstanden.

Aktuelle Publikation

Mietshaus und Mietwohnung auf dem Land – Entwicklung, Verbreitung und Typologie am Beispiel des Nürnberger Umlandes, 1500-1800 (Univ. Diss., Erlangen Nürnberg 2018). Erscheint voraussichtlich Juli 2019.

Typenhaus und serielles Bauen in der Barockzeit – Der Erfolg des „Erlanger Hauses“. In Onnen, Elke/ Spohn, Thomas (Hrsg.): „Die neuen Häuser in den neuen Städten. Neurungen im Hausbau unter dem Einfluss der Landesherren und ihrer Baumeister zwischen 1650 und 1830. Erscheint voraussichtlich im Herbst 2019.

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