Kratzputz in Oberfranken
Inhalt und Ziele
Ornamentierter Gefacheputz ist die übergeordnete Bezeichnung für eine baukünstlerische Tradition, die insbesondere im ländlichen Raum von Malern und Putzern gepflegt wurde und für die allgemein die Bezeichnung „Kratzputz“ geläufig ist. Gemeinsam ist all diesen Putzen eine Gestaltung der Oberfläche durch schaben, kratzen, stupfen, glätten. Sowohl das Relief als auch der Kontrast von glatten zu rauen Oberflächen prägt die Erscheinung. Die einzelnen Gefache bleiben natursichtig stehen oder werden anschließend flächig gekalkt. Farbliche Betonungen von Ornamenten kommen dagegen nur vereinzelt vor.
Problemstellung
Bei den ornamentierten Gefacheputzen handelt es sich um eine einstmals weit verbreitete Handwerkstechnik. Zeugnisse finden sich in Hessen, Thüringen, Unter-, Ober-, Mittelfranken, Baden-Württemberg und Hamburg. In Bayern erstreckt sich der nachweisbare Bestand über die drei fränkischen Regierungsbezirke. Das Vorkommen ist jedoch bisher nicht flächendeckend nachgewiesen, sondern inselartig. Zwischen Regionen mit einem reichen Vorkommen liegen andere Regionen, für die bisher nur Gefacheputze ohne Gestaltung bekannt geworden sind. Im Raum Oberfranken ist die geographische Verbreitung noch unklar.
Der wirtschaftliche Wiederaufstieg der alten Bundesrepublik beinhaltete auch einen strukturellen Wandel des traditionellen Bauhandwerks. Alte Techniken verschwanden und machten modernen Bau- und Sanierungstechniken Platz. Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass die radikalen Instandsetzungsmethoden des 20. und 21. Jahrhunderts großflächig historische Substanz zerstört haben. In Folge dieser Entwicklung ist auch der Bestand an Gebäuden mit ornamentierten Gefacheputzen rückläufig.
Ein Grund dafür ist, dass mit Kratzputz gestaltete Gebäude meist nicht unter Schutz stehen. Deshalb ist deren langfristiger Erhalt nicht selbstverständlich.
Projekt
In den Jahren 2008-09 wurde Kratzputz erstmals wissenschaftlich umfassend und flächendeckend erfasst und dokumentiert. Eine erste Kampagne wurde durch die Fränkische Freilandmuseen in Fladungen und Bad Windsheim durchgeführt. Erfasst wurden damals die Putzbestände in unterfränkischen Dörfern der Landkreise Haßberge und Rhön-Grabfeld.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das unterfränkische wie auch das südthüringische Gebiet bereits weitestgehend aufgearbeitet. Auf oberfränkischer Seite sind bisher jedoch kaum Kenntnisse über die Verbreitung der historischen Handwerkstechnik vorhanden. Deshalb wird in einer neuen Kampagne 2019-20 der erhaltene Bestand in Oberfranken dokumentiert.
Das Projekt wurde durch die Förderung der Oberfranken Stiftung ermöglicht.
Methodik und Zielsetzung
Die Untersuchungen gehen nicht nur auf die ästhetische Gestaltung ein, sondern setzten sich auch mit deren Materialität und Herstellungsweise auseinander.
Zum einen bestimmt die materielle Eigenschaft der Putze deren Optik wesentlich mit, zu nennen ist hier die Farbe des Sandes, dessen Korngrößen sowie die Eigenschaften des Bindemittels, zum anderen begründen die Materialeigenschaften den Erhaltungszustand der Putzfelder. Dass sich in machen Untersuchungsgebieten (z. B. Haßberge, Thüringen) historisch ornamentierte Gefachefelder in solch großem Umfang über einen langen Zeitraum erhalten haben, ist sicher auch dem dolomitischen Anteil am Bindemittel dort zu verdanken, während die lehmhaltigen Kalkputze entlang der Regnitz in Oberfranken zu großen Teilen abgängig sind. Nur aufgrund exakter Materialkenntnis können nachhaltige Wartungs- und Instandsetzungskonzepte sowie geeignete Reparaturmörtel entwickelt werden.
Für die praktische Denkmalpflege ebenfalls unerlässlich ist die Klärung der Herstellungstechniken, denn in vielen Fällen wird es neben der reinen konservatorischen Sicherung des Bestandes auch um eine punktuelle Ergänzung zumindest einzelner Fehlstellen gehen.
Projektmitarbeiter
Projektleitung: Dr. phil. Dipl.-Ing. Thomas Wenderoth
Mitarbeiterin: Laura Deglmann