Ein Mann läuft durch das Bamberger Living Lab Demenz - ein Labor, das wie eine Wohnung eingerichtet ist.Benjamin Herges / Universität Bamberg

Das Bamberger Living Lab Demenz ist ein Labor, das wie eine Wohnung eingerichtet ist.

BamLiD-Mitarbeiterin Isabelle Lindner stattet einen Probanden testweise mit einem tragbaren EKG-Gerät aus.Benjamin Herges / Universität Bamberg

BamLiD-Mitarbeiterin Isabelle Lindner (r.) stattet einen Probanden testweise mit einem tragbaren EKG-Gerät aus.

Ein Mann betätigt einen Lichtschalter im BamLiD.Benjamin Herges / Universität Bamberg

Forschende im BamLiD interessiert unter anderem, auf welche Weise Testpersonen Licht anschalten.

Gesundheit besser verstehen

Das Bamberger Living Lab Demenz – ein Beispiel für fächerübergreifende Forschung an der Universität Bamberg.

Einkaufen, lesen, duschen: Alltägliche Aufgaben fallen gesunden Menschen leicht, aber mit Demenz immer schwerer. Über Mimik, Gestik und Körperhaltung können Erkrankte noch recht lange kommunizieren – aber wie lange? Und wie versteht ihr Umfeld die nonverbalen Signale? Fragen wie diese untersuchen Forschende im Bamberger Living Lab Demenz (BamLiD), das im März 2020 eröffnet wurde. Während der Lockdowns führte das Forschungsteam zunächst Pilot- und Probeuntersuchungen durch, nun folgen erste Studien. „Das BamLiD ist in dieser Form und Ausstattung international einzigartig. Wir verbinden hier unsere langjährige psychologische Schmerzforschung bei Demenzpatientinnen und -patienten mit anwendungsnaher Informatik“, betont Prof. Dr. Stefan Lautenbacher, der die Professur für Physiologische Psychologie an der Universität Bamberg innehat. Er hat das Labor gemeinsam mit Informatikerin Prof. Dr. Ute Schmid und Psychologin Prof. Dr. Miriam Kunz gegründet.

Demenzforschung im Hightech-Labor

Demenz bringt menschliches Verhalten nachhaltig und unumkehrbar zum Verschwinden. Zuerst verschwinden komplexe Verhaltensweisen wie Urlaubsplanungen, dann einfachere wie Aufräumen. Lautenbacher erläutert: „Wir erforschen, wie lange die Demenz erlaubt, nonverbal über das Verhalten zu kommunizieren, über Mimik, Gestik und Körperhaltung. Vorrangiges Ziel des BamLiD ist es, die Verhaltenskompetenz von Demenzkranken im Alltag zu diagnostizieren.“ Zum Beispiel könnten Proband*innen beim vergeblichen Suchen wütend werden, für kreative Prozesse eine Planungspause einlegen oder bei körperlichen Belastungen Schmerzen verspüren. All diese Anzeichen messen Forschende im BamLiD multisensorisch.

Das circa 50 Quadratmeter große Living Lab ist wie eine Wohnung eingerichtet, unter anderem mit Esstisch, Bett und Sessel. Zwölf sichtbare 360-Grad-Kameras sind im Raum verteilt. Der Boden, ein „Smart Floor“, erfasst Bewegungen. Tragbare Messgeräte nehmen etwa die Herzrate von Testpersonen auf. „Im BamLiD versuchen wir, einen alltagsnahen Kompromiss zwischen strikter Verhaltenskontrolle wie im Experiment und vollständiger Verhaltensfreiheit wie im natürlichen Kontext zu erreichen“, führt Stefan Lautenbacher aus und nennt ein Beispiel: Das Labor ist düster, Testpersonen sollen etwas lesen und müssen daher Licht anschalten. Die Forschenden erfahren also, ob Testpersonen erkennen, dass Licht fehlt, wie sie sich zum Lichtschalter bewegen und ihn drücken.

Technik kann Demenzkranke unterstützen

Das Forschungsteam will durch alltagsnahe Tests herausfinden, welche sicht- und messbaren körperlichen Veränderungen zuverlässige Indikatoren für Schmerz, Angst oder Ärger sind. Denn: Demenzkranke können Schmerzen oft nicht mehr mit Worten ausdrücken und mitteilen, welche Aufgaben im Alltag sie nicht mehr allein erledigen können. Modernste Technik soll dabei helfen, ihre Emotionen zu erkennen. Dafür werten die Physiologische Psychologie und die Angewandte Informatik der Universität Bamberg die immensen Datenströme gemeinsam aus, die bei Versuchen im BamLiD entstehen, um die jeweiligen inneren Zustände besser zu verstehen.

Die Studien im BamLiD bauen auf der bisherigen Forschung der Universität Bamberg auf. Beispielsweise arbeitet ein Forschungsteam seit 2018 an einem automatischen Schmerzerkennungssystem, einem „PainFaceReader“. Diese lernfähige Software für Computer soll Videoaufnahmen Betroffener in Krankenhäusern auswerten und deren Gesichtszüge interpretieren. So wird ein langfristiges Monitoring möglich, das zum Beispiel der medizinischen Unterversorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten entgegenwirken kann.

Im BamLiD arbeiten die Bamberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kooperationspartnern von der Universität Augsburg und vom Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung IGD zusammen. Außerdem kooperieren sie mit verschiedenen klinischen Einrichtungen in Bayern.

Fächerübergreifende Gesundheitsforschung an der Universität Bamberg

Das Bamberger Living Lab Demenz ist ein Beispiel für Gesundheitsforschung an der Universität Bamberg. Dieses Forschungsfeld wird momentan fächer- und fakultätsübergreifend weiterentwickelt. Die Bamberger Stärke ist eine ganzheitliche Perspektive: Forschende betrachten die physische und psychische Gesundheit, Gesundheitsverhalten, Wohlbefinden und Resilienz vor dem Hintergrund der persönlichen Entwicklung und des sozialen Umfelds von Menschen. Einblicke in die vielfältigen Themen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet das Forschungsmagazin „uni.vers“ der Universität Bamberg. Es widmet sich im Jahr 2022 dem Thema „Wissen über Gesundheit“. Das Magazin ist online abrufbar unter: www.uni-bamberg.de/univers-forschung

Informationen über das BamLiD: www.uni-bamberg.de/bamlid

Bild „BamLiD“(1.7 MB): Das Bamberger Living Lab Demenz ist ein Labor, das wie eine Wohnung eingerichtet ist.
Quelle: Benjamin Herges/Universität Bamberg

Bild „Messgeraet“(1.6 MB): BamLiD-Mitarbeiterin Isabelle Lindner (r.) stattet einen Probanden testweise mit einem tragbaren EKG-Gerät aus.
Quelle: Benjamin Herges/Universität Bamberg

Bild „Lichtschalter“(1.7 MB): Forschende im BamLiD interessiert unter anderem, auf welche Weise Testpersonen Licht anschalten.
Quelle: Benjamin Herges/Universität Bamberg

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