Kino in Stein

Altertumswissenschaften geben moderner Architektur neue Impulse

Inhaltlich, methodisch und systematisch haben Altertumswissenschaften und moderne Architektur wenig gemeinsam. Dennoch hat die Universität Bamberg mit Kino in Stein – Raumerfahrungskonzepte der Gegenwart in der antiken Villenarchitektur ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, in dem die Philosophie, Altphilologie und Klassische Archäologie dazu beitragen, eine neue Lesart für moderne Architektur zu entwickeln: „Wie können antike Bauwerke mit unserem heutigen Wissen über Architektur neu verstanden und interpretiert werden? Und warum kann ein Blick auf eine römische Villa für Architekten der Gegenwart gewinnbringend sein?“, lauten die zentralen Forschungsfragen.

Von ihrer klassizistischen Tradition hat sich die moderne Architektur im 20. Jahrhundert abgewandt. Vordenker der Architektur-Moderne wie Le Corbusier lehnten die bis dahin praktizierte Nachahmung antiker Architektur als unmodern ab und orientierten sich am Geist der Zeit, den sie in der Betonung von Rationalität, Wissenschaftlichkeit oder Ökonomie vor allem an den damaligen Ingenieur-Leistungen verwirklicht sahen.

Dennoch gab es bereits in der römischen Baukunst ein anderes Verständnis von Architektur: Das sinnliche Erleben von Raumsequenzen. Von Licht, Schatten, Farben, Gerüchen und Geräuschen durch entsprechend konstruierte und angeordnete Zimmer, Flure, Gärten, Kuppeln oder Kammern. Die interdisziplinäre Bamberger Projektgruppe rund um die Philosophen und Architekturtheoretiker Prof. Dr. Christian Illies und Dr. Martin Düchs vom Lehrstuhl für Philosophie II sowie der Gräzistin Prof. Dr. Sabine Vogt will solche Raumerfahrungskonzepte, die bis heute kaum erforscht sind und in derzeitigen Architekturdebatten kaum eine Rolle spielen, genauer untersuchen. Unterstützt werden sie dabei durch den Archäologen Prof. Dr. Andreas Grüner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Neu ist aber nicht nur das Forschungsinteresse, sondern auch die Herangehensweise. Anhand der Hadriansvilla vor den Toren Roms führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine konkrete Fallstudie durch. „Um den Gebäudekomplex, der heute nur noch als Ruine existiert, so originalgetreu wie möglich sinnlich erfahrbar zu machen, kombinieren wir literaturwissenschaftliche mit archäologischen Methoden“, erklärt Sabine Vogt die Vorgehensweise. Die Forscherinnen und Forscher analysieren zum Beispiel Villenbeschreibungen antiker Schriftsteller wie Plinius, um herauszufinden, wie sinnlichen Erfahrungen des Raumdurchschreitens darin erzeugt und vermittelt werden. Durch die Untersuchung der archäologischen Befunde versuchen sie zu rekonstruieren, wie und warum welche Sinneseindrücke an bestimmten Orten oder Plätzen in der Hadriansvilla entstanden sind. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse und der literarischen Vorbilder soll dann eine Beschreibung der Hadriansvilla entstehen, die ihre Räume für die Leserinnen und Leser sinnlich erlebbar macht.

Mit ihrem Forschungsprojekt möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem die gegenwärtige Architektur-Debatte um neue Impulse bereichern: „Wir wollen am Beispiel der Hadriansvilla aufzeigen, dass ein vertieftes, um Raumerfahrung erweitertes Verständnis antiker Gebäude, relevant sein kann für die Art und Weise, wie wir heute bauen“, sagen Christian Illies und Martin Düchs.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt Kino in Stein – Raumerfahrungskonzepte der Gegenwart in der antiken Villenarchitektur gibt es in der Ausgabe 2016 des Forschungsmagazins uni.vers der Universität Bamberg.

Weitere Informationen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter:

Kontakt für Rückfragen:
Dr. Martin Düchs, Lehrstuhl für Philospohie II
Telefon: 0951/863-3503
E-Mail: martin.duechs(at)uni-bamberg.de

Prof. Dr. Sabine Vogt, Professur für Klassische Philologie (Schwerpunkt Gräzistik)
Telefon: 0951/863-2129
E-Mail: sabine.vogt(at)uni-bamberg.de

Medienkontakt:
Samira Rosenbaum
Pressereferentin
Tel.: 0951/863-1146
E-Mail: samira.rosenbaum(at)uni-bamberg.de