Deutschland ist Retouren-Europameister
Europaweit hat Deutschland die höchste Retourenquote. Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg. Wie viele Pakete werden im deutschen Onlinehandel zurückgeschickt? Was sind die Gründe dafür und was geschieht mit den retournierten Waren? Fragen wie diese untersucht das Bamberger Forschungsteam bereits seit mehreren Jahren. In der aktuellen Studie hat das Team nun erstmals Onlinehändler auf europäischer Ebene befragt und die Resultate im Rahmen des „European Return-o-Meter“ (EUROM) veröffentlicht.
Zahlreiche Erkenntnisse über den deutschen Onlinehandel
Die Studie liefert zahlreiche Erkenntnisse, die das bisherige Bild des Retourenmanagements im deutschen Onlinehandel verändern. Denn: „Der European Return-o-Meter schafft den bislang umfangreichsten und genauesten Einblick in die Praktiken deutscher E-Commerce-Händler“, sagt Björn Asdecker, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, an der Universität Bamberg. Er leitet die Forschungsgruppe Retourenmanagement. Die Forschenden erreichen insbesondere durch drei Faktoren eine höhere Ergebnisqualität im Vergleich zu den von der Forschungsgruppe publizierten Vorgängerstudien: Diesmal ist ihre Stichprobe besonders umfangreich, weil 411 Onlinehändler an der Umfrage teilgenommen haben. Insgesamt vereinen die in Stichprobe vertretenen Unternehmen einen E-Commerce-Umsatz von fast 60 Milliarden Euro und verantworten den Versand und Rückversand von 1,25 Milliarden Paketen im Jahr 2020. Darüber hinaus verwenden die Autor*innen eine neue Methodik, die zu präziseren Kennzahlen führt. Zuletzt ist die Hochrechnung auf den Gesamtmarkt exakter, weil das Team auf neue, zuverlässigere Sekundärdaten zurückgreifen konnte.
Höchste Retourenquoten in Europa
„Die europäische Datenerhebung ermöglicht zum ersten Mal einen internationalen Vergleich“, betont Dr. Björn Asdecker. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass Deutschland Retouren-Europameister ist. Über alle Warencluster hinweg beobachtete das Forschungsteam in Deutschland die höchsten Retourenquoten und nennt drei mögliche Ursachen:
- Viele Deutsche bestellen Waren per Rechnung (28,8 Prozent), was zu höheren Retourenquoten führt (Rechnungsanteil in der restlichen EU: 9,9 Prozent).
- Deutsche Onlinehändler gewähren sehr liberale Rücksenderegeln. Die Rückgabefrist beträgt in der Stichprobe im Schnitt 51,7 Tage (Frist in der restlichen EU: 28,1 Tage).
- In Deutschland ist die Rücksendung in der Regel kostenlos, wie 88,7 Prozent der befragten Onlinehändler bestätigten (Kostenlose Rücksendungen in der restlichen EU: 52,4 Prozent).
Bislang unterschätzt: Retourenmenge und Umweltwirkung
Laut der aktuellen Studie ist die Retourenquote und -menge auf dem deutschen Gesamtmarkt höher als bisher angenommen. Nach diesen Berechnungen wurde im Jahr 2021 fast jedes vierte Paket im deutschen Onlinehandel zurückgeschickt, vor allem im Bereich Fashion. Das sind schätzungsweise fast 530 Millionen Retourensendungen, die rund 1,3 Milliarden Artikel enthielten.
Die Forschungsgruppe nahm bisher auch eine geringere Umweltwirkung der Retouren an (850 g CO₂-Äquivalente pro Artikel). Nun gaben die befragten Unternehmen den Fußabdruck mit circa 1.500 g CO₂-Äquivalenten (CO₂e) pro retourniertem Artikel an. In diesem Szenario wären durch Retouren im Jahr 2021 in Deutschland geschätzt 795.000 Tonnen CO₂e entstanden. Diese Menge entspricht 5,3 Milliarden Kilometern, die man mit dem PKW zurücklegt. „Bemerkenswerter ist aber fast noch, dass über 80 Prozent der befragten Onlinehändler den ökologischen Fußabdruck gar nicht erfassen“, schildert Björn Asdecker. Weitere 15 Prozent konnten oder wollten keine Angabe machen. Den CO₂-Fußabdruck der Retoure messen weniger als 5 Prozent.
Bislang überschätzt: Retourenkosten und Entsorgungen
Dagegen wurden die Retourenkosten pro Artikel, die in zahlreichen vergangenen Studien bisher im Bereich von 10–15 Euro angegeben wurden, überschätzt. Laut der aktuellen Studie verursacht ein zurückgeschickter Artikel im Schnitt nur 2,85 Euro Transport- und Bearbeitungskosten. Dies liegt einerseits daran, dass im Gesamtmarkt hauptsächlich Modeartikel retourniert werden, die sich kostengünstig bearbeiten lassen. Andererseits realisieren die führenden Händler mit vielen Rücksendungen extrem niedrige Kosten. Außerdem werden laut aktueller Studie im deutschen Onlinehandel nur 1,3 Prozent der retournierten Artikel direkt durch die Händler entsorgt. „Der geringe relative Anteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in absoluten Zahlen 2021 trotzdem mehrere Millionen retournierte Artikel entsorgt wurden“, gibt Björn Asdecker zu bedenken. Darüber hinaus wird die Entsorgung durch Wiedervermarkter und durch Kunden bei einer Erstattung ohne Rücksendung nicht erfasst. Die Zahl gibt also nur einen Teil des Problems wieder. Die meisten zurückgeschickten Artikel (93,2 Prozent) wurden als neuwertig verkauft.
Weitere Informationen zur Forschungsgruppe Retourenmanagement: www.retourenforschung.de
Publikation über die im European Return-o-Meter verwendete Methode:
Asdecker/Karl (2022): „Shedding Some Light on the Reverse Part of E-commerce: A Systematic Look Into the Black Box of Consumer Returns in Germany”, in: European Journal of Management 22 (1), S. 59–81
Foto(6.8 MB): Dr. Björn Asdecker (r.) leitet die Forschungsgruppe Retourenmanagement. Er ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, den Prof. Dr. Eric Sucky (l.) innehat. Quelle: Benjamin Herges / Universität Bamberg
Weitere Informationen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter:
Eine Publikation mit den Ergebnissen des European Return-o-Meter befindet sich aktuell noch in der Begutachtung. Sie können aber eine Zusammenfassung der Studienergebnisse und Hintergründe zur methodischen Vorgehensweise auf Anfrage bei der Pressestelle der Universität erhalten (siehe Medienkontakt).
Kontakt für inhaltliche Rückfragen:
Dr. Björn Asdecker
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik
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bjoern.asdecker(at)uni-bamberg.de
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