Pain Face Day 2011
17. Juni 2011 in Bamberg
Der Ausdruck von Schmerz über die Mimik sowie deren Entschlüsselung durch einen Beobachter spielen eine wichtige Rolle im alltäglichen Leben, zum Beispiel in der Interaktion von Patienten mit ihren Behandlern und Angehörigen. Diese mimische Schmerz-kommunikation war das Thema des „Pain Face Day“ am 17. Juni 2011, der von der Professur „Physiologische Psychologie“ unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Lautenbacher und Dr. Miriam Kunz veranstaltet wurde. Höhepunkt dieses Forschungskolloquiums war der Vortrag von Prof. Dr. Kenneth Prkachin aus Kanada, dem international bekanntesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Schmerzmimik. Dieser wurde ergänzt durch verschiedene Beiträge nationaler und internationaler Experten.
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Grußwort von Prof. Dr. Lautenbacher (Universität Bamberg), der ein unerwartetes Beispiel für die Forschung zum mimischen Schmerzausdruck illustrierte, nämlich das „Jesus-Projekt“. Hier galt es den mimischen Ausdruck von Jesusdarstellung am Kreuz zu beurteilen. Neben Schmerz wurden vor allem Trauer und Verzweiflung erkannt.
Prof. Dr. Kenneth Prkachin (University of British Columbia, Kanada) betonte daraufhin in seinem Vortrag, dass die Forschung zur Schmerzmimik seit dem Jahr 2000 stark an Bedeutung gewonnen hat, was sich in einem rapiden Anstieg von Publikationen zu dieser Thematik zeigt. Eine besonders wichtige Erkenntnis sei, dass der mimische Ausdruck oft von anderen Schmerzindikatoren wie dem Selbstbericht abweiche; außerdem könne die Mimik wichtige Informationen liefern, wenn andere Indikatoren nicht zur Verfügung stünden, z.B. bei Demenzpatienten. Als Beispiel mit weitreichenden politischen Implikationen nannte Prof. Prkachin ein Expertengutachten, welches die Grausamkeit der Todesstrafe durch den elektrischen Stuhl unter anderem anhand der Mimik eines Verurteilten feststellte.
Daran schloss sich der Vortrag von Dr. Miriam Kunz (Universität Bamberg) an, die darüber berichtete, wie Unterschiede im mimischen Ausdruck entstehen. So tragen verschiedene Lernprozesse in der Kindheit dazu bei, dass sich Personen in ihrer mimischen Expressivität unterscheiden. Untersucht man die Gehinaktivierung von Personen mit unterschiedlicher mimischer Expressivität, so zeigt sich, dass Personen die keine Mimikreaktionen bei Schmerzen zeigen, die Mimik aktiv unterdrücken. Aber die Mimik variiert auch von Situation zu Situation; so zeigt z.B. dieselbe Person meist deutlich mehr Schmerzmimik, wenn der Partner anwesend ist.
Dr. Liesbet Goubert (Ghent University, Belgien) und Dr. Judith Kappesser (Universität Mainz) dagegen untersuchen, wie Personen darauf reagieren, wenn Sie mimischen Schmerzausdruck bei anderen beobachten. In beiden Vorträgen wurde deutlich, dass Beobachter den Schmerz einer anderen Person meist unterschätzen, wenn sie den Schmerz anhand der Mimikreaktionen beurteilen sollen. Diese Unterschätzung kann schwerwiegende Folgen haben, z.B. eine unzureichende medikamentöse Behandlung des Schmerzpatienten. Dieses Problem besteht vor allem in der Notfallmedizin.
Einen eher experimentellen Ansatz der Forschung zur Schmerzmimik stellte Dr. Matthias Wieser (Universität Würzburg), Corinna Baum (Universität Bamberg) und Oliver Dittmar (Universität Bamberg) vor. In allen drei Vorträgen wurde in experimentellen Studien Schmerzgesichter am Bildschirm präsentiert und untersucht, welche Auswirkung diese Präsentation auf das emotionale Erleben, die Aufmerksamkeitsleistung und die Gehirnaktivierung einer Person hat. Es zeigte sich, dass das Beobachten von Schmerzgesichtern negative Emotionen auslöst, dass Personen ihre Aufmerksamkeit zuerst verstärkt diesen Bildern zuwenden, um sie dann jedoch zu vermeiden und dass Schmerzgesichter verstärkte Gehirnaktivierungsmuster (EEG-Reaktion) hervorrufen können.
Im letzten Teil der Veranstaltung sollte eine computertechnische Perspektive beleuchtet werden, die in den letzten Jahren sehr im Kommen ist. Andreas Ernst und Tobias Ruf vom Fraunhofer Institut (Erlangen), sowie Prof. Dr. Ute Schmid, Michael Siebers und Dominik Seuß (Universität Bamberg)) berichteten vom aktuellen Stand, wie Mimikreaktionen automatisch durch unterschiedliche Computertechnologien erfasst werden können. Hierbei gab es auch sehr anschauliche Darstellungen einer Software, die bereits gewisse Grundemotionen identifizieren kann. Wichtig für das richtiger erkennen von Schmerz und anderen Emotionen ist es auch, die Reihenfolge einzelner Muskelbewegungen im Gesicht zu erfassen, um so die „Grammatik des Schmerzes“ besser verstehen zu können.
Insgesamt war der „Pain Face Day“ ein sehr gelungenes Forschunskolloquium, bei dem das Thema Schmerzmimik aus verschiedenen Perspektiven und auf hohem internationalem Niveau beleuchtet wurde und bei dem ein sehr reger Austausch zwischen den Experten stattfand.