Ein (Forscher-)leben im Zeichen der interkulturellen Verständigung: Heinrich Beck (Bild: Pressestelle)
„Dem Himmel ziemlich nahe …“
Nachruf auf Heinrich Beck (1929-2024)
Am 19. April verstarb unser geschätzter Kollege und lieber Freund Heinrich Rudolf Beck. Er war über 30 Jahre Professor für Philosophie in Bamberg, ein kämpferischer, wacher Geist, ein tatenfroher akademischer Lehrer, ein weltgewandter und vielgereister Wissenschaftler, ein lebhafter Diskutant und großer Mensch.
Sein geistiger Hunger und seine Offenheit für unsere Welt zeigte sich schon von Jugend an. Er wollte die ganze Wirklichkeit verstehen, sie umfassend durchdringen und reflektieren. Begierig sog er an den gerade wieder eröffneten Universitäten nach dem Krieg alles auf, was er über Gott, Mensch und Welt lernen konnte. Das Studium der Philosophie, Psychologie und Katholischen Theologie an der LMU begleiteten Studien der Physik, Biologie, Geschichte und Rechtswissenschaft in München, gefolgt von einigen Semestern in Pädagogik und Soziologie in Münster. 1954 wurde der erst 25-jährige Heinrich Beck an der LMU zum Dr. phil. promoviert. Eine ruhelose Zeit in der Erwachsenenbildung und mit Dozenturen an verschiedenen Pädagogischen Hochschulen fand 1962 durch die Habilitation an der Universität Salzburg ihren Abschluss. Die Habilitationsschrift widmete sich einer Darstellung der dynamischen Aspekte der Wirklichkeit im Ausgang von Thomas von Aquin und Hegel, ein philosophisches Anliegen, das alle weiteren Entwicklungen seines Denkens fortan mitbestimmte und zu einem Gravitationspunkt seiner akademischen Bemühungen wurde. Sein Denken hatte ihn zugleich in das Grenzgebiet zwischen Theologie und Philosophie geführt und gelehrte Auseinandersetzungen mit theologischen Themen gehörten seitdem zu seinem reichen Werk.
Mit 35 Jahren war er von 1964 an Professor an der PH Bamberg, von 1965 bis 1966 stand er der Hochschule vor. Ab 1979 wirkte er schließlich als ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Bamberg, deren Gründungsjahre er mit dem ihm eigenen Elan und Optimismus mitgestaltete. Nach dem Sommersemester 1997 wurde er emeritiert, ohne jedoch an einen Ruhestand zu denken. Er blieb dem akademischen Leben tatkräftig verbunden, sei es als außerordentlicher Professor an der Universität Salzburg, als Leiter der Forschungsstelle für interkulturelle Philosophie und Comeniusforschung der Universität Bamberg, als Vermittler internationaler Kooperationen zwischen Bamberg und vielen Institutionen weit über Europa hinaus, als Gastprofessor an verschiedenen Universitäten in Spanien und Lateinamerika, als Herausgeber der Buchreihe „Schriften zur Triadik und Ontodynamik“, und als philosophischer Begleiter der Gegenwart, der sie weiterhin in Schriften und öffentlichen Vorträgen zu durchdringen versuchte. In seiner Buchreihe erschien 1999 eine Festschrift zu seinem Werk, damals aus Anlass seines 70. Geburtstags. Deren Titel „Aktive Gelassenheit“ benennt treffend ein Charakteristikum seines philosophischen Denkens, das gleichzeitig als Grundzug der Persönlichkeit des Jubilars gelten konnte: Aus einer souveränen Gelassenheit, die der wissende Blick in die Philosophiegeschichte ermöglicht, griff er immer wieder beherzt aktuelle Probleme auf und suchte auf dieser Basis aktiv neue Antworten. Dabei ging sein Blick nicht nur in die Tiefe, sondern auch die Weite: In beeindruckender Weise versuchte er dabei Verknüpfungen zu anderen Kulturen und arbeitete an einer Weltkultur gemeinsamen Denkens und Handelns, lange bevor die Vielfalt und Interkulturalität modisch wurden. Trotz seiner vielen Reisen blieb er Bamberg und den dortigen Entwicklungen des Fachs Philosophie eng verbunden. Bei Vorträgen und Hegelwochen war er dabei und meist einer der ersten, der sich erhob, über zwei Meter, und die Vortragenden mit tiefen Fragen zum Weiterdenken brachte. Was immer geschah, er war dabei und nahm Anteil; selbst als ihn die letzten Jahre mehr und mehr an sein Haus fesselten, von seiner Frau liebevoll betreut, begleitete er mit Interesse, Stolz und Freude das Wirken der Bamberger Philosophie.
Als späte Früchte seiner beeindruckenden Lebensleistung auf den Gebieten der philosophischen Anthropologie, der interkulturellen Philosophie und seiner international mit großer Aufmerksamkeit bedachten Buchveröffentlichungen wurde er als Mitglied in zahlreiche internationale Wissenschaftsakademien berufen, erhielt von der Universidad de Buenos Aires die Ehrendoktorwürde und wurde zum Ehren- bzw. Titularprofessor an verschiedenen anderen Universitäten ernannt. 2003 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, 2008 bekam er den Päpstlichen Silvesterorden, der ihm das Recht gab, sich ein Silvesterschwert zu schmieden und mit dem Pferd die Stufen zum Petersdom hinauf zu reiten.
Aber mehr noch als all diese Ehrungen und das für die Philosophie und die Entwicklung der Alma Mater Bambergensis Gleistete wird uns der Mensch Heinrich Beck in dankbarer Erinnerung bleiben. Seine intellektuelle Ehrlichkeit, die sich nicht zuletzt in seiner philosophischen Autobiographie zeigte, seine einladende Geselligkeit, sein nie erlahmendes Interesse an geistreichem Austausch, die innige Liebe zu seiner Familie und die treue Verbundenheit zu seiner zweiten Heimat Bamberg waren Inspiration und Vorbild gleichermaßen.
Seine Körpergröße brachte ihm den studentischen Ehrentitel „Zwei-Meta-Physiker" ein und scherzhaft pflegte Heinrich Beck schon vor Jahrzehnten zu bemerken, dass er aufgrund dieser Größe dem Himmel ziemlich nahestehe. Nun ist er vielleicht noch näher gerückt, dahin, wohin ihn seine Gedanken oft geführt hatten. Seiner Witwe, seinen drei Kindern und der Schar seiner Enkelkinder gelten unsere Gedanken und Anteilnahme.
Christian Schäfer und Christian Illies
mit der ganzen Bamberger Philosophie