Das Lesen dieses Text dauert ungefähr 4 Minuten. In dieser Zeit geben sich tausende Paare auf der Welt das Ja- Wort. Doch in der gleichen Zeit werden auch ca. 112 junge, minderjährige Mädchen zu Ehefrauen. Die Einheit der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen (UN – Women) hat es sich zur Aufgabe gemacht Kinder- und Zwangsheiraten weltweit zu eliminieren. Momentan werden noch etwa 12 Millionen Mädchen jährlich minderjährig verheiratet. Dieses Wochenende haben sich einige Delegierte den Kopf darüber zerbrochen, wie man diesem Ziel im Rahmen der internationalen Gemeinschaft näher kommen kann. Es ist unsere dritte Simulationskonferenz und diesmal ist die National Model United Nations Delegation aus Erfurt in Bamberg zu Besuch.
“We need to work together, to end this modern slavery” appelliert die Delegierte Finnlands in ihrer ersten Rede. So oder so ähnlich, äußern sich zu Beginn fast alle Delegierten, denn schließlich stellt Zwangsheirat eine Menschenrechtsverletzung dar. Doch im Detail offenbaren sich Differenzen. Die Delegationen von Indien und Saudi Arabien kritisieren Vorschläge, die darauf abzielen die Umsetzung ihrer nationalen Initiativen zur Verhinderung von Kinder- und Zwangsheirat zu kontrollieren und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Mehr und mehr Delegierte bekräftigen das Prinzip der staatlichen Souveränität. Inzwischen wissen wir alle: Das ist die diplomatische Art zu sagen, dass Sie am liebsten einfach alles so weiter machen würden, wie bisher.
Zur gleichen Zeit, eine Etage höher: Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen muss darüber entschieden werden, ob die kommenden 2 Tage über Friedensförderung oder den Einfluss von Klimakatastrophen auf die internationale Sicherheit gesprochen werden soll. Die Fronten sind deutlich: Russland und die USA, welche den Klimawandel und somit die Relevanz des zweiten Themas nicht anerkennen, gegen den Rest. Doch schließlich können die Supermächte überzeugt werden.
Gegen 19 Uhr, das ein oder andere diplomatische Pokerface wird von Gähnen durchbrochen, beenden die Delegierten sowohl im Sicherheitsrat, als auch im UN- Women Council den Verhandlungstag. Schicke Blazer werden schnell gegen gemütliche Pullis getauscht und einige Minuten später machen wir uns auf den Weg zum Einhornkeller. Wir lassen den Abend entspannt ausklingen und witzeln schon während des Verzehrs der sehr gut gewürzten Hauptspeise, ob wir unseren Knoblauch – Atem morgen auch als Verhandlungswaffe einsetzen könnten.
Kurz vor 10 Uhr am Tag darauf: Der Andrang bei den Kaffeekannen im Pausenraum ist groß. Während einige so erstmal aufwachen müssen, begibt sich eine kleinere Gruppe Delegierter im Sicherheitsrat auf Konfrontationskurs. Die Diskussionen sollen spannender, hitziger werden und deswegen beschließt sie Reizwörter wie „Klimawandel“ hervorzuheben und zu betonen. Als die Sitzung beginnt, zeigt sich, der Plan geht auf. Die Rednerliste bleibt kontinuierlich voll und in den informellen Sitzungen wird um kleinste Formulierungen gerungen. Russland und die USA machen deutlich, dass sie die Verabschiedung jeder Resolution in der das Wort „Klimawandel“ steht durch ihr Veto verhindern werden. Und so kommt es auch. Am Ende des Tages verabschiedet der Sicherheitsrat nur eine von zwei Resolutionen. Doch ein Zwischenziel von Inselstaaten wie Indonesien und der Dominkanischen Republik ist erreicht – die verabschiedete Resolution erkennt die Folgen von Umweltkatastrophen offiziell als Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit an.
Während dessen arbeiten im UN Womens Council zwei Arbeitsgruppen ihre Resolutionen aus. Auch hier führen plötzlich kleine Formalitäten zu Konfrontationen. Es sind nur noch Minuten bis zur letzten Abgabemöglichkeit. Hastige Blicke wandern immer wieder zum Bildschirm, auf dem der Timer abläuft. Während die Diskussion lauter und hitziger wird, bereiten zwei Delegierte bereits die E-Mail vor, um den Text notfalls in letzter Sekunde abschicken zu können. Die rettende, kompromissfähige Idee hat eine Delegierte erst in der vorletzten Minute. Hastiges Tippen, dann steht die finale Formulierung. Alle nicken und einige Sekunden vor der Deadline ist die Resolution fertig.
Während der letzten Abstimmung stellt der Delegierte Saudi Arabiens einen komplizierten Antrag. Er führt entweder dazu, dass ein Teil einer Resolution im Anhang hervorgehoben oder komplett gelöscht wird. Entsprechend groß ist die Verunsicherung und die Überraschung einiger Delegierter. Doch das Ziel heute ist es nicht, den betreffenden Teil wirklich indirekt zu löschen. Wir wollen das komplizierte Verfahren nur einmal durchlaufen, um für die Konferenz in New York auf alle Eventualitäten gefasst zu sein. So verabschiedet das UN- Women Council unter Applaus schließlich zwei Resolutionen.
Auch unsere dritte Konferenz war wieder ein voller Erfolg. Vielen Dank an die Erfurter Delegation und unser tolles Tutoren- Team, das diese Tage super organsiert hat. Wir freuen uns schon auf unseren Gegenbesuch in Erfurt.