Der Wind des Wandels weht: Rektor Godehard Ruppert ist dennoch überzeugt, dass sich die Universität Bamberg auf sicherem Kurs befindet (Bilder: Pressestelle)
Young Eun Chang aus Seoul erinnerte sich an die eigene Studienzeit in Bamberg
Friedhelm Marx sprach über den Literaturstreit als Motor der Literaturentwicklung
Diese Damen und Herren haben herausragende Promotionen und Habilitationen abgeschlossen: Sie wurden dafür am Dies Academicus geehrt
Wetterfest auf hoher See
„Ich möchte Leuchtturm sein in Nacht und Wind“, dichtete der Hanseat Wolfgang Borchert. Das Bild vom Leuchtturm beherrsche wie kaum eine andere Metapher die derzeitige Diskussion um Eliteuniversitäten, stellte Rektor Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert in seiner Rede zum Dies Academicus fest. Auf den 13. November vor 359 Jahren datiert eine Urkunde, die die Gründung der heutigen Otto-Friedrich-Universität darstellt.
Rückenwind mit vereinzelten Sturmböen
Als begeistertem Segler lag es dem Rektor nicht fern, die oft zitierte Metapher um das markante Küstenbauwerk, das der Navigation und dem Umfahren gefährlicher Stellen im Gewässer dient, eingehender zu untersuchen. Ein chinesisches Sprichwort besage, so Ruppert, dass, wenn der Wind des Wandels wehe, die einen Schutzmauer, die anderen Windmühlen bauen. „Wir haben uns bemüht, Windmühlen zu bauen.“ Dass Winde aber nicht nur Segen bringen, sondern einem auch direkt ins Gesicht wehen können, mussten die Universität Bamberg und ihr Rektor Godehard Ruppert in den vergangenen Wochen gleichfalls feststellen: Bald wird die Studienplatzauslastung der Universität die leuchtturmgleich herausragende, aber doch wenig positiv stimmende Höhe von 300 Prozent erreichen. Und die drohende Schließung der katholisch-theologischen Fakultät überraschte Ruppert wie ein unangekündigt aufziehendes Gewitter auf hoher See: „Die Kirche hat mich an den Verhandlungen nie beteiligt. In dem Spiel, das hier gespielt wird, habe ich weder Spielberechtigung, noch werde ich auch nur mit dem Hauch von Informationen versehen“, so der Rektor.
Tröstlich allerdings mag stimmen, dass trotz bisweilen hohen Wellengangs keine Seenot in Sicht ist: Können, Reaktionsvermögen, Erfahrung, Improvisationskunst und Kooperationsfähigkeit, das seien Trümpfe, mit denen die Otto-Friedrich-Universität Bamberg wuchern könne, auch wenn manchmal Skipper und Mannschaft unterschiedliche Vorstellungen hätten, so Ruppert. Natürlich sei die Bamberger Universität keine Offshore-Yacht, doch die Stärkung durch die Strukturverbesserung mit 13 neuen Professuren in den Profilbereichen mache das 359 Jahre alte Schiff durchaus wettbewerbstauglich und wetterfest. Doch eines sei zu vermeiden, so Ruppert: „Leuchttürme sind dazu da, dass andere Menschen rechtzeitig bemerken können, wann sie die Richtung wechseln müssen. Darauf können und wollen wir verzichten.“
Nicht mit dem Schiff, sondern mit dem Flugzeug aus Seoul angereist war Prof. Dr. Young Eun Chang von der koreanischen Sookmyung Women’s University, die als Vertreterin dieser Partneruniversität Bambergs ein Grußwort vorbrachte und sich dabei an ihre eigene Studienzeit in der Domstadt und die Untiefen der fränkischen Sprache und das Annavigieren der Bamberger Bierkeller zurückerinnerte. Vor den zehn Preisverleihungen für herausragende Promotionen und Habilitationen sowie für studentisches Engagement lud Prof. Dr. Friedhelm Marx, Lehrstuhlinhaber für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, zu einer interessanten Rundfahrt in den Gewässern von „Streitfällen in Literatur und Literaturwissenschaft der Gegenwart“, so der Titel seines Festvortrages.
Streit als Motor der Literaturentwicklung
Wer wissen wolle, was wirklicher Hass sei, der solle sich bei einer Party unter die Schriftsteller mischen, zitierte Friedhelm Marx den Literaten John Cheever. Ein Hass untereinander, der nur durch den von Sopranistinnen übertroffen werde. Dies verwundere nicht, so Marx, seien doch Schriftsteller ebensolche Solisten wie die Sängerinnen. Ihren Anfang genommen habe die Streitsituation in der Aufwertung der Dichterpersönlichkeit seit dem 18. Jahrhundert. Wer sich selbst als Schöpfer eigener Welten verstehe, den stören andere Welten empfindlich, erläuterte der Germanist. Die Form des Streits aber habe sich im Laufe der Zeit stark verändert. Nagelte Johann Wolfgang von Goethe 1779 ein Werk Fritz Jacobis demonstrativ an eine Eiche, so gestalte sich die Streitsituation seit der Zeit der Wiedervereinigung erheblich anders, so Marx. Wie eh und je Motor der Literaturentwicklung, werde der Literaturstreit nun durch eine weitere Komponente versehen: die Medien. Diskussionen um strittige Werke, Aussagen und Biographien füllen die Feuilletons der großen Blätter, egal ob es nun um Christa Wolf, Peter Handke oder jüngst Günter Grass ginge, berichtete der Bamberger Literaturwissenschaftler.
Neu sei aber daran, dass es sich hierbei primär nicht um einen Streit unter Schriftstellern, sondern über Schriftsteller handle, die allesamt längst prominent seien. „Wer Denkmäler stürzt, hat oftmals nicht weniger im Sinn, als deren Sockel zu besetzen“, meinte Friedhelm Marx. Doch dies spiele bei der neuen Form des Literaturstreits, der sich auf politischem Terrain bewege, fast keine Rolle. Vielmehr diene er der gesellschaftlichen Justierung der neuen, wiedervereinigten Nation. Denn die Auseinandersetzung mit (politischer) Geschichte und Gegenwart sei auffallend dominant.
Aufgabe der Literaturwissenschaft sei es deswegen, den Dialog zu fördern und zugleich zu reflektieren. Dass dies adäquat nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit unter Förderung der Gegenwartsliteratur auch an der Universität geschehen könne, sei deutlich – und in Bamberg, so Marx, ausgezeichnet verwirklicht: Kaum eine Universität bietet mehr Lesungen als die Otto-Friedrich-Universität, die zugleich im Rahmen des Schwerpunkts Literaturvermittlung hautnah eben auch die Gegenwart und Literaturszene untersuche. Ein Alleinstellungsmerkmal, bemerkte Marx im Jargon der Hochschulpolitik, welches natürlich noch mehr verstärkt werden könnte. Angesichts knapper Kassen also auch hier ein Posten, um den es sich zu streiten lohnt.