- Kerstin Leicht

Wissenschaftliche Entsorgung von Bodendenkmälern?

Im Rahmen des Archäologischen Kolloquiums referierte Dr. Silvia Codreanu-Windauer

Auch in Regensburg war es bis vor wenigen Jahren üblich, dass Archäologen eine "saubere" Baugrube hinterließen, die mit keinen weiteren Auflagen für den Bauherrn verknüpft war. In der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges in den siebziger Jahren wurde die Altstadt von Regensburg um zahlreiche Bodendenkmäler ärmer. Besonders das Mittelalter wurde einfach ausgekoffert - eine fachgerechte Entsorgung der Altlasten sozusagen. Hohe Grundstückspreise in der Innenstadt erschweren es, bei Investoren Verständnis für den Erhalt von Bodendenkmälern und für die damit verbundenen Mehrkosten zu wecken, berichtet Dr. Silvia Codreanu-Windauer. Am 7. Juni erzählte die Leiterin der Regensburger Dienststelle des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege im Rahmen des Archäologischen Kolloquiums aus ihrem denkmalpflegerischen Nähkästchen.

"Man muss die Leute auch mal vor den Kopf stoßen"

Was nach der Grabung übrig bleiben soll, gestaltet sich in der oberpfälzischen Metropole oft als hitzige Debatte. Gerade wo die Öffentlichkeit unmittelbar betroffen ist, wie am Neupfarrplatz mitten im Altstadtzentrum, wird heftig diskutiert. "Man muss die Leute auch mal vor den Kopf stoßen", lautet dabei das Motto der Referentin. Maßstäbe für Erhalt und Präsentation archäologischer Bausubstanz setze das Projekt Neupfarrplatz. Im Zuge der großflächigen städtischen Baumaßnahmen, bei denen zahlreiche mittelalterliche Reste ans Tageslicht kamen, wurde keine historische Mauer angetastet, fast alles ist im Boden verblieben. Beim Besuch des "document Neupfarrplatz" steigt man in mittelalterliche Keller hinab und erlebt die Geschichte des Ortes von der Römerzeit bis zum Nationalsozialismus.

Eine wie hier gelungene Verknüpfung des Bewahrens von Bodendenkmälern mit touristischer Erschließung bringt jedoch zahlreiche Herausforderungen für die Archäologen mit sich. Wo erst das Bewusstsein der Bevölkerung für ihr kulturelles Erbe geweckt werden muss, ist oft die Zerstörung desselben nicht fern. Sei es fahrlässig durch einen Obdachlosen, der sein Quartier im Parkhaus am Dachauplatz hinter der ergrabenen römischen Legionslagermauer bezogen hatte, oder durch technische Probleme: Tageslichteinfall führt in ehemaligen Kellerräumen in Verbindung mit erhöhter Luftfeuchtigkeit aufgrund der Besucher schnell zu organischem Bewuchs.

Aufzug im mittelalterlichen Latrinenschacht

Aber auch im Privaten hat die Denkmalpflege an Wertschätzung gewonnen. Dass es mittlerweile als "schick" gilt, wenn im Eigenheim der Putz ausgespart wird, um altes Bruchsteinmauerwerk zu zeigen, beweise die Werbung einer Hausbau-Zeitschrift. Auch in der Regensburger Innenstadt treffe man in einem Bekleidungsgeschäft in der Tändlergasse auf dokumentierte Baugeschichte: Der Aufzug ist in den spätmittelalterlichen Latrinenschacht eingebaut, die neueste Modekollektion wird vor sichtbar belassenen mittelalterlichen Mauern präsentiert.

Neben manchen Rückschlägen wie dem Verlust eines kompletten Ziegelbrennofens bei Sünching konnte Silvia Codreanu-Windauer aufgrund ihrer Erfahrung von einer insgesamt positiven Entwicklung für die Bodendenkmalpflege in Regensburg berichten. Was die Archäologen als Erfolge verzeichnen, mag freilich einer Putzfrau mancherorts zum Ärgernis werden, wenn sie tagtäglich über erhalten gebliebene Steine stolpert?