Vom Gasthof in den Hörsaal
Rajab Ahmadli blickt konzentriert und schreibt langsam S-t-ü-h-l-e auf die weiße Tafel. Dozentin Petra Avram nickt zufrieden. Der 40-jährige Aserbaidschaner und die anderen zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Flüchtlingssprachkurses haben die Hausaufgaben gemacht und beteiligen sich rege am Unterricht. Trotz des Engagements aller Beteiligten fällt die Verständigung schwer, Hände und Füße müssen herhalten und wenn auch das nicht mehr hilft, übersetzen die etwas Fortgeschritteneren für die anderen ins Arabische oder Russische. Englisch kann hier niemand.
In ihren Heimatländern Syrien, Afghanistan, Äthiopien, Nigeria und Aserbaidschan standen Rajab Ahmadli und seine Mitlernenden auch ohne Fremdsprachenkenntnisse in Lohn und Brot, zumeist als Handwerker, Bauarbeiter oder Techniker. Einzig Ahmadlis Frau Kursum Achadova hatte studiert und danach an einer weiterführenden Schule als Geographielehrerin gearbeitet. Doch dann kam für sie und die anderen Asylbewerber aus Zapfendorf die Flucht: vor Kriegen, politischer Unterdrückung, einem Leben in Angst.
„Wir wollten Hilfe mit Hilfe beantworten“
Die Idee zu diesem Sprachkurs für die in Zapfendorf untergebrachten Flüchtlinge kam Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, als er von ihrer außergewöhnlichen Hilfsbereitschaft im vergangenen Jahr erfuhr. Sie hatten trotz Sprachprobleme umstandslos ein Rentnerpaar aus Karlsruhe bewirtet, das das Asylbewerberheim mit einem Gasthof verwechselte. „Wir wollten Hilfe mit Hilfe beantworten. Die Universität engagiert sich für Bürgerinnen und Bürger in Bamberg und der Region. Deshalb stand es für uns außer Frage, dass wir auch hier unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen“, sagt Ruppert. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte an der Universität ein Sprachkurs für 25 als studierfähig eingestufte Asylsuchende aus Bamberg stattgefunden.
Seit 8. Februar besuchen Rajab Ahmadli und Kursum Achadova täglich vier Stunden einen von insgesamt zwei vierwöchigen Kursen für verschiedene Sprachniveaus mit insgesamt 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Busfahrkarte nach Bamberg stellt ihnen die Universität. Für diesen Ortswechsel ist das Ehepaar aus Aserbaidschan besonders dankbar: „In unserer Unterkunft in Unterleiterbach sind wir fast nur unter uns. Wir haben keine Möglichkeit, die Umgebung kennenzulernen und mit Einheimischen zu sprechen. Wir sind sehr froh, dass es den Kurs an der Universität gibt und danken dem Präsidenten dafür.“
Für Petra Avram, die einen der beiden Sprachkurse leitet, ist dieser eine besondere Herausforderung, nicht nur wegen der mangelnden Verständigungsmöglichkeiten. Denn die Teilnehmerstruktur ist sehr heterogen. Menschen im Alter zwischen 18 und 46 Jahren mit und ohne Schul- und/oder Berufsausbildung lernen gemeinsam eine für sie komplett fremde Sprache von null an. „Während die einen noch alphabetisiert werden müssen, geht es bei den anderen primär darum, ihnen beizubringen, wie das Lernen einer Sprache grundsätzlich funktioniert. Nur wenige Teilnehmer bringen die Voraussetzungen mit, um direkt mit dem Spracherwerb anzufangen.“
Interkulturelles Lernen als wichtiger Kursbestandteil
Ohne Sprachkenntnisse haben die Flüchtlinge aber kaum Möglichkeiten, Bräuche und Gepflogenheiten ihres Gastlandes kennenzulernen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, stehen neben der sprachlichen Ausbildung auch kulturelle Aktivitäten wie ein Besuch auf dem Markt oder im Naturkundemuseum an. „Wir wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Bamberger Leben aufnehmen“, sagt Christine Drakew vom Sprachenzentrum, die für die Organisation verantwortlich ist. „Auch in den Übungstexten gibt es deshalb zahlreiche Bezüge zur Stadt und zu Franken.“ Zudem gibt es ein interkulturelles Modul, das für Kulturunterschiede sensibilisiert.
Vizepräsident Prof. Dr. Sebastian Kempgen, der die Aktivitäten für Flüchtlinge der Universität koordiniert, ergänzt: „Dieses Konzept des interkulturellen Lernens ist besonders geeignet, um den Menschen die Region näherzubringen, in der sie leben. So werden sie auf verschiedenen Ebenen heimisch.“ Dass dieses Konzept bereits Früchte trägt, bestätigen auch Rajab Ahmadli und Kursum Achadova: „Bamberg ist sehr schön, vor allem der Fluss gefällt uns sehr. Wir wollen gerne hier bleiben.“ Doch noch mehr als eine dauerhafte Bleibe in Bamberg wünscht sich die 36-jährige Lehrerin, ein Geographiestudium zu beginnen, um auch in Deutschland in ihrem alten Beruf arbeiten zu können. „Wir sind Deutschland sehr dankbar, dass es uns aufgenommen hat und möchten diesem Land etwas zurückgeben.“
Hinweis
Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.
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