Die ständige Nutzung von Facebook, E-Mail-Programmen und dem Smartphone kann Technostress auslösen. (Foto: Ivana Peric/Universität Bamberg)

Für die Erforschung dieses Phänomens erhielt Christian Maier den Schmalenbach-Preis 2015. (Foto: Schmalenbach-Gesellschaft)

- Ivana Peric

Technostress

Wie sehr uns WhatsApp, Facebook und Co. im Alltag belasten

Nicht nur Technologien, die man bei der Arbeit nutzt, sondern auch diejenigen im privaten Umfeld können zu Stress führen. In seiner Dissertation analysiert der Bamberger Wissenschaftler Dr. Christian Maier die Ursachen und Konsequenzen der allgegenwärtigen Technologienutzung und schlägt Lösungen für die Praxis vor.

Während wir uns am Computer durch die Flut von E-Mails arbeiten, blinkt zeitgleich in einem anderen Fenster eine neue Nachricht bei Facebook auf und das vibrierende Handy macht uns auf eine eingegangene WhatsApp-Nachricht aufmerksam. Die Informationsmenge, der wir jeden Tag im Internet ausgesetzt sind, und die stetig wachsende Interaktion in sozialen Netzwerken sind gewaltig. Diese Überflutung kann zu Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, Müdigkeit oder Bluthochdruck führen. Das Phänomen ist als Technostress bekannt. Mit den Ursachen und Konsequenzen von Stress bei der allgegenwärtigen IT-Nutzung für Arbeitszwecke und im privaten Umfeld beschäftigt sich Dr. Christian Maier, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbes. Informationssysteme in Dienstleitungsbereichen, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Für seine Dissertation untersuchte er das Phänomen mit verschiedenen Studien. Er fand heraus, dass Technostress nicht nur betriebswirtschaftliche Auswirkungen im Arbeitsumfeld haben kann – auch das Privatleben kann er beeinträchtigen. Dafür erhielt Maier den renommierten Schmalenbach-Preis.

Soziale Überlastung durch Facebook

„Ich habe in meinem Bekanntenkreis festgestellt, dass immer mehr Menschen einfach aufgehört haben, Facebook zu nutzen. Das erschien mir ungewöhnlich“, erläutert Christian Maier sein Forschungsinteresse. Die Freunde hätten ihm berichtet, dass die permanente Vernetzung und der daraus hervorgehende Druck, ständig sozial zu interagieren und zu reagieren, sie stresse. Für seine Dissertation führte Christian Maier mehrere Studien durch. In einer davon entzog er insgesamt 130 Nutzerinnen und Nutzern für zwei Wochen den Facebook-Zugang. Vor und während der Nicht-Nutzung der Plattform füllten die Teilnehmenden Fragebögen zu ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Gemütslage aus. Zudem prüfte Maier ihre Stressindikatoren, also die körperlichen Reaktionen der Probanden auf Stresssituationen. „Eine Methode ist, den Hautleitwert festzustellen. Vereinfacht gesagt wird untersucht, inwiefern Personen anfangen zu schwitzen, wenn sie bestimmte Technologien benutzen“, erklärt Christian Maier die methodische Vorgehensweise dieser Studie.

Für den privaten Bereich stellte Maier fest, dass Stress sowohl durch Übernutzung als auch durch den Entzug von Facebook entstehen kann. „Der Stress resultiert nicht zwangsläufig aus der Technologie, die man nutzt, sondern aus der Informationsflut, die man nicht mehr richtig verarbeiten kann“, berichtet der Forscher von seinen Erkenntnissen. Seine Arbeit zeigt, dass auch Technologien, die angeblich Spaß machen, Stress produzieren können. „Eine Probandin erzählte uns, sie schreibe gerade an ihrer Masterarbeit, komme aber seit drei Monaten nicht voran“, erzählt der Wirtschaftsinformatiker. Laut Selbstauskunft verbrachte sie täglich 14 Stunden auf Facebook. In den zwei Wochen ohne Facebook habe sie dann enorme Fortschritte an ihrer Masterarbeit gemacht und wisse nicht, warum. Bei einigen Probanden lässt sich das umgekehrte Phänomen beobachten: Die Nicht-Nutzung von Facebook hatte diese mehr gestresst als die Nutzung. „Es gab tatsächlich einige Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, die plötzlich nicht wussten, wie sie mit ihrer freien Zeit umgehen sollten. Manche begannen zum Beispiel, sich wieder mehr mit ihren Familienmitgliedern zu unterhalten“, ergänzt der Forscher die Ergebnisse.

Technostress im Arbeitsumfeld

Diese Erkenntnisse lassen sich auf das Arbeitsumfeld übertragen. Dafür spricht ein Anstieg an Burnout-Erkrankungen bei Veränderungen im Einsatz von IT in Unternehmen. „Ich konnte bei einem Unternehmen einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Krankheitstage nach einer IT-Umstellung herstellen“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker. Das Unverständnis bei der Bedienung von neuer IT könne Stress verursachen, der wiederum im schlimmsten Fall zu krankheitsbedingten Ausfällen führen kann. So wird Technostress zum Kostenfaktor für ein Unternehmen. In einer weiteren Studie seiner Dissertation stellte Christian Maier fest, dass vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem IT-fernen Bildungshintergrund besonders stark betroffen sind. Durch Fragebögen unter insgesamt 306 Beschäftigten fand er heraus, dass diese besonders häufig unter den Folgen von Technostress leiden.

In einer Folgestudie will Christian Maier nun entschlüsseln, was verändert werden muss, damit Computertechnologien deutlich weniger Stress bereiten. „Wir haben angefangen, anhand von Facebook- und Twitter-Posts einen Algorithmus zu entwickeln, der erkennen soll, wer wie gestresst ist. Gemäß ihres Stresslevels sollen Personen mit dem entsprechenden Maß an Informationen versorgt werde“, erklärt er. Dieser Algorithmus ist lernfähig und soll langfristig in unternehmensinternen Programmen eingesetzt werden. „Zum Beispiel wäre es denkbar, dass sich das Mailprogramm nicht öfter als einmal pro Stunde mit neuen Nachrichten bemerkbar macht“, sagt Maier. „So kann durch Einstellung der Frequenz der Stress reduziert werden.“