Mit Papier-Prototypen zur Benutzerfreundlichkeit
Prototypen aus Papier gebastelt – mit ihnen können Meilensteine bei der Entwicklung von benutzerfreundlichen Anwendungen entstehen. Denn letztlich zeigt sich manchmal schon beim Basteln, ob eine Idee für den späteren Nutzer Sinn macht oder nicht. Und Sinn, Nutzen und Effekt müssen bei jeder Entwicklung vorhanden sein. Was Prof. Dr. Tom Gross vom Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion der Otto-Friedrich-Universität Bamberg bei der Tandem-Reihe Wissenschaft & Praxis den Zuhörern eindrucksvoll vorträgt, unterstrichen die beiden Praktiker Dr. Tobias Pflock, NETZSCH-Gerätebau GmbH, und Sven Besold, reha team Bayreuth Gesundheitstechnik GmbH, mit ihren Beispielen. NETZSCH hat eine Software für Messinstrumente entwickelt, die die Auswertung der Daten erleichtert und standardisiert. Das reha team Bayreuth arbeitet mit Prothesen, die sich dank Software-Integrationen individuell an verschiedene Situationen anpassen lassen.
Ein eigener Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion innerhalb des Fachgebiets Angewandte Informatik – seit knapp sieben Jahren forscht und lehrt Prof. Tom Gross rund um technologische Konzepte, die auf der Grundlage des Verstehens der menschlichen Interaktion und Kommunikation basieren. „Konkret schauen wir uns also ganz oft an, wie Menschen in einer bestimmten Situation agieren und entwickeln darauf aufbauend Anwendungen oder Konzepte, die in dieser Situation einen Nutzen bieten“, erläutert der Lehrstuhlinhaber. Die Einsatzgebiete der Mensch-Computer-Interaktion-Entwicklungen sind dabei vielfältig. Ob es um Steuerungen in einem Auto geht, um die Effektivität einer Werbemaßnahme oder um eine softwaregesteuerte Anwendung rund um einen Kinobesuch. „Wir wissen heute, dass Entwicklungen nur dann Erfolg haben und angenommen werden, wenn sie dem Benutzer einen Effekt bieten, die Zufriedenheit steigern, die Effizienz erhöhen oder die Effektivität anheben.“
Was macht Zufriedenheit aus?
Hinter der logisch klingenden Erfolgsformel steckt im Einzelfall viel Forschung: Was macht zum Beispiel die Zufriedenheit aus? Und ist das bei jedem Menschen gleich? „Viele der dafür notwendigen Entwicklungen von Konzepten und Systemen brauchen sehr viel Zeit. Daher nutzen wir manchmal auch einfache, kleine Papier-Prototypen, um anhand von Entwürfen schnell und agil mit künftigen Benutzerinnen und Benutzern Feedback einholen zu können.“
Bei der NETZSCH-Gerätebau GmbH wurden keine Prototypen gebastelt, aber bei der Entwicklung der Software Protheus durchaus Verfahren wie Think Aloud, sprich Testen und dabei laut mitdenken, oder eine heuristische Evaluation, die durch Austesten Probleme und Fehler vorab findet, eingesetzt. Mit der Software, die Dr. Tobias Pflock, Business Field Manager Polymere, vorstellt, ist der Anwender in der Lage, quasi auf Knopfdruck aufwändige thermische Analysen durchzuführen und standardisiert auszuwerten. „Das ist für den Anwender eine enorme Erleichterung“, erläutert Pflock, „da es sowohl bei der Messung als auch bei der Interpretation der Messergebnisse keine unterschiedlichen Ansätze mehr gibt.“ Die intuitive Bedieneroberfläche ist an den gewohnten App-Standard angepasst und die Software damit einfach und unkompliziert zu handhaben. „Das ist für den Nutzer einfach angenehm, so macht das Messen und Analysieren Spaß.“
Benutzerfreundlichkeit: eine Frage der Definition
Für die Nutzer von Prothesen steht nicht der Spaß im Vordergrund, sondern der bequeme und unkomplizierte Umgang einerseits und die Flexibilität im Einsatz andererseits. Dies macht Sven Besold, Orthopädietechniker beim reha team Bayreuth deutlich. Besold, selbst Träger einer Beinprothese, zeigt die Entwicklungen auf, die die Prothetik genommen hat. War über viele Jahre das sprichwörtliche Holzbein das Maß der Dinge, gibt es heute elektronisch steuerbare Gelenke aus High-End-Materialien, die sich an die Umgebung und die gewünschte Belastung anpassen lassen. „Damit kann man dann etwa Radfahren, auf unebenem Untergrund laufen oder steile Abstiege bewältigen“, zeigt Besold. Die Steuerung erfolgt entweder per Fernbedienung, App, oder aber über Signale, die der Nutzer mit definierten Bewegungen an das Gelenk übergeben kann.
Benutzerfreundlichkeit ist aus Sicht des Trägers einer Prothese aber nicht nur der unkomplizierte und flexible Umgang, sondern auch das Wissen, dass zum Beispiel bei jeder Einstellung genau die richtigen Parameter hinterlegt sind. „Wenn ich eine Schräge hinunterlaufe, muss der Widerstand in der Prothese größer werden. Sonst stürze ich.“
Die Tandemreihe ist eine Gemeinschaftsinitiative der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der IHK für Oberfranken Bayreuth und der Handwerkskammer für Oberfranken und bringt einmal pro Semester Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Ziel ist es, den Austausch untereinander zu fördern und den beidseitigen Transfer von Wissen anzuregen.
Dieser Artikel basiert auf einem Text der Handwerkskammer für Oberfranken.
Weitere Informationen zu der Veranstaltungsreihe finden Sie unter: www.uni-bamberg.de/transfer/veranstaltungen/tandem